Zu viele Menschen und zu viele Wölfe auf zu wenig Fläche: Wie lange geht das gut?

von MARTIN D. WIND

Bei den Wölfen hat sich etwas geändert. Es hat sich sogar sehr viel geändert: Bereits 2019 konnte man aus den Zahlen des Wolfsmonitorings und der fortlaufenden Nummerncodes, die für die Wölfe in Deutschland vergeben werden, rund 1.200 Wölfe in Deutschland ableiten. Die Besatzdichte in Deutschland ist so hoch, dass seit Mitte des vergangenen Jahres zunehmende Annäherung an die Menschen und auch die Erkundung menschlicher Ansiedlung – seien es nun Dörfer oder Vorstädte – zu beobachten sind. So lässt sich erklären, warum in Deutschland am helllichten Tag ein ausgewachsener Wolf in Lohne/Oldenburg durch die Stadt läuft und vollkommen unbeirrt von Menschen seiner Wege zieht. Seit 2019 hat sich der Wolfsbestand nach Meinung von Fachleuten, Jahr für Jahr um weitere rund 30 Prozent vergrößert. Das bedeutet, dass derzeit in der deutschen Kulturlandschaft – sehr zurückhalten und großzügig nach unten gerundet – rund 2400 Wölfe herumlaufen. Sie meinen, das sei nicht viel?

Lassen Sie uns einen Blick ins außereuropäische Ausland und in Nachbarländer in der EU werfen: Im russischen Sibirien, genauer in der Verwaltungseinheit Ost-Jakutien, werden gerade mal 500 Wölfe geduldet, bei einer Bevölkerungsdichte von 0,3 Einw./qkm auf 3.083.523 qkm – das ist eine neunmal größere Fläche als Deutschland aufweist. In der Region waren die Wölfe nie vollständig vergrämt. Die Menschen dort wissen, wie man mit den Wölfen umzugehen hat. Aber, das ist außereuropäisches Ausland. Dort gelten die strengen Regeln der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Union (EU) nicht.

Daher ein Blick nach Schweden: Dort werden 300 Wölfe auf einer Fläche von 447.435 qkm geduldet. Jedes Jahr wird jeder Mengenzuwachs konsequent bejagt. Und das, obwohl Schweden rund 90.000 qkm größer ist als Deutschland und dort nur 23 Menschen auf einem qkm leben. Auch in Schweden gilt die FFH-Richtlinie. In der dichtbesiedelten Kulturlandschaft Deutschlands leben auf einem qkm mehr als 233 Menschen. Ihnen stehen 357.581 qkm zur Verfügung, die sie künftig mit mindestens mehr als 2500 Wölfen teilen sollen, wenn es nach Svenja Schulze aus dem Bundes-Umweltministerium und den vielen NGOs geht, die die Begriffe „Natur-“, „Umwelt-“, oder Tierschutz im Namen tragen.

An Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) scheitert bisher jeglicher Ansatz, in Deutschland ein vernünftiges Wolfsmanagement mit der Option „Bejagung“ zu etablieren. Sie versteift sich hinter der Position der sogenannten Naturschutzverbände, für die Wölfe sei in Deutschland der „günstige Erhaltungszustand“ noch nicht erreicht. Entsprechend sehen auch die Zahlen aus, die Schulze über die Besatzdichte in Deutschland 2019 an die EU meldet. Sage und schreibe gerade mal 133 geschlechtsreife Tiere wurden nach Brüssel gemeldet. Wer die Entwicklung des Wolfsbestandes in Deutschland kontinuierlich beobachtet, fragt sich, wen Frau Schulze mit dieser Zahl auf den Arm nehmen will.

Die immense Zahl Wölfe in unserer Kulturlandschaft mit so vielen Menschen, kann selbstverständlich kaum ohne Konflikte zwischen den Spitzenprädatoren ausgehen. So meldet beispielsweise das Land Sachsen-Anhalt alleine im Jahr 2019/20 eine Zunahme der gemeldeten Nutztierrisse um 86 Prozent auf rund 390 getötete Schafe, Ziegen, Esel, Lamas oder auch Rinder und Pferde. In Niedersachsen wurden 240 tödliche Angriffe gemeldet, die 861 Opfer forderten.

Die „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf“ scheint von der schieren Anzahl der Übergriffe und getöteten Tiere offenbar überfordert zu sein. Sie kann Ende März 2021 noch keine Dokumentation für das Jahr 2019/20 vorlegen, aus der man ein bundesweites Schadensaufkommen auf einen Blick ablesen kann. Dennoch wurde der Versuch gestartet und nach langatmigen Rechtfertigungssuaden über mangelnden Weidetierschutz und Wölfe, die die erstaunliche Fähigkeit entwickeln, über einen 120 cm hohen Elektrozaun zu hüpfen, gibt es doch eine Tabelle, die einfach nur Zahlen nennt: 2019 wurden in Deutschland bei rund 900 gemeldeten Angriffen durch Wölfe rund 2900 statistisch erfasste Weidetiere getötet.

Zurück zur Wolfsanzahl: Der NABU Deutschland schreibt auf seiner Homepage im Jahr 2019/20 von 128 Wolfsrudel, 35 Paare und zehn territoriale Einzeltieren. Allein die Anzahl der Rudel zeigt schon, wie weit ab von der Realität die Zahlen von Svenja Schulze sein müssen. Weidetierhalter unterstellen daher, dass Schulze Zeit gewinnen wolle, um möglichst viele Wölfe in Deutschland heranwachsen zu lassen, bis sie nicht mehr darum herumkomme, zuzugeben, dass der sogenannte „günstige Erhaltungszustand“ in der Population der Wölfe längst erreicht ist. Erst dann würde der Wolf aus der FFH-IV und die Kategorie-V verschoben und wäre nicht mehr so streng geschützt, wie Schulze und das Bundesumweltministerium die Bevölkerung glauben macht.

Angesichts der jetzt schon auftretenden Probleme im Zusammenleben mit diesem faszinierenden Raubtier, mag man kaum fassen, wie die verantwortliche Politik die Situation eskalieren lässt. Mehrfach war schon davor gewarnt worden, dass ohne vernünftiges Wildmanagement, die Lage sich so weit zuspitzen kann, dass in der Bevölkerung die Toleranz gegenüber dem Spitzenräuber Wolf verschwindet. Und das mag eigentlich niemand, der sich mit diesem herrlichen Tier befasst. Der vom Bundesamt für Naturschütz errechnete, theoretisch mögliche Besatz von bis zu 14.000 Wölfen in Deutschland, kann man nur als aberwitzige und realitätsferne Phantasterei abtun.

Es wird Zeit für Nüchternheit im Umgang mit dem zurückgekehrten Spitzenprädatoren. Da kann unsere Regierung sehr viel von unseren Nachbarn in andern EU-Staaten lernen. Geschieht das nicht, werden Vorfälle wie in Lohne demnächst Alltag sein. Und ob das dann weiterhin glimpflich abgeht, kann mit Sicherheit nicht garantiert werden.

Bildquelle:

  • Wolf_2: pixabay

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