von PETER WINNEMÖLLER
Einen harten Geist und ein weiches Herz solle man haben, schrieb Sophie Scholl in einem Brief. Das ist ein erstaunliches Motto für eine junge Frau. Sie wurde bekannt als Mitglied der Weißen Rose, einer studentischen Widerstandsgruppe gegen das NS- Regime. Junge Studenten stellten Flugblätter her und verteilten sie. Bedruckte Zettel waren für die Nazis Grund genug, Menschen zu töten. Weniger bekannt ist, dass Sophie Scholl eine bekennende Christin war und welche Rolle ihr Glaube bei ihren Widerstandsaktionen spielte.
Wie viele junge Menschen ging auch Sophie Scholl den Nationalsozialisten auf den Leim. Sie wurde Mitglied im BDM und übernahm dort Führungsaufgaben. Schnell wurde ihr klar, welch grausige Rassenideologie die neuen Machthaber vertraten. Erste Sanktionen folgten auf dem Fuße. Bereits 1937 wurde sie verhaftet, weil ihr Bruder Hans der Fortsetzung der bündischen Jugend beschuldigt wurde. Ein Jahr später verlor sie ihre Führungsaufgabe im BDM wegen unbootmäßiger Äußerungen. Sophies Versuch sich dem Reichsarbeitsdienst durch Ausbildung zur Erzieherin zu entziehen scheiterte. Sie wurde 1941 eingezogen. So konnte sie erst 1942 mit 21 Jahren ihr Studium an der Universität in München beginnen.
Dort schloss sie sich der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ um ihren Bruder Hans Scholl an. Sie verteilten insgesamt fünf Flugblätter an der Uni in München und anderswo. Am 18. Februar 1943 wurde sie mit ihrem Bruder Hans bei der Verteilung von Flugblättern in der Uni München von einem Hörsaaldiener und SA-Mann erwischt. Nach stundenlangem Verhör durch die Leitung der Uni übergab man sie der Gestapo. In einem Schauprozess unter Vorsitz des extra aus Berlin angereisten NS-Richters Freisler wurde sie am 22. Februar zum Tode verurteilt und am selben Tag durch das Fallbeil hingerichtet.
Die tiefen Gedanken von Sophie Scholl sind insbesondere durch ihr Tagebuch und aus Briefen an ihren Freund Fritz Hartnagel überliefert. Auch ihr Bruder Hans war ein gläubiger Christ. So berichtet Sophie in einem Brief an Hartnagel über eine Diskussion mit ihrem Bruder über die Teodizee Leibniz‘. Darin geht es um die Frage, ob der gute Gott im Stande sei, Böses zu tun. An mehreren Stellen der Briefe empfiehlt sie ihrem Freund das Gebet und führt selber aus, was das Gebet in ihrem Leben bedeutet. Ihre tiefen Gedanken strahlen aus den Briefen förmlich heraus.
Die frühesten Wurzeln des christlichen Glaubens liegen bei Sophie und ihren Geschwistern wohl im Elternhaus. Hier hat besonders die Mutter eine prägende Rolle gespielt, die bis zur Hochzeit Diakonisse war. Sie erzog die Kinder in einem liberalen christlichen Geist. Beeindruckt hat Sophie die Lektüre von Bernanos „Tagebuch eines Landpfarrers“. In der Zeit des Reichsarbeitsdienstes waren es die Werke von Augustinus von Hippo, die ihr Halt und Orientierung gaben. Das dürfte auch der Zeitpunkt gewesen sein, zu dem sich die innere Abkehr vom NS- Regime endgültig manifestierte.
Das Beispiel von Sophie zeigt, wie leicht ein junger Mensch von der Strahlkraft einer autoritären Ideologie angezogen werden kann. Es zeigt aber auch sehr deutlich, wie kräftig sich ein solides christliches Fundament auf die weitere Entwicklung auswirkt. Als Sophie einen ungeschminkten Blick auf die wahre Fratze des totalitären Regimes werfen konnte, fand sie Halt bei einem Kirchenvater. Sie machte eine radikale Kehrtwende. Nur ein fester Glaube kann solch eine Kraft geben.
Die neuere Forschung kratzt ein wenig am Bild der heiligmäßigen Sophie. Man meint, ihre Zickigkeit besonders betonen zu müssen. Kein Mensch ist ohne Schattenseiten. Es bleibt das Bild einer jungen Frau, die mit geistiger Kraft und Mut dem Unrechtsregime die Maske vom Gesicht zu reißen bereit war. Eine junge Frau, die auch aus ihrem Glauben heraus die Kraft hatte, dafür zu sterben.
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