von ANDREA HECK
Vorsitzende Elternverein NRW
DÜSSELDORF – Wie schwer es für ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen ist, einen gut funktionierenden Server für den Download von ein paar Dokumenten bereit zu stellen, hat sich vergangene Woche auf eine sehr peinliche Art und Weise gezeigt. Über 30.000 Familien waren davon betroffen. Die Abiturienten erfuhren zwölf Stunden vor der Abi-Prüfung, dass sie ihre Klausuren in Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik und Physik nicht rechtzeitig schreiben können, da die Dokumente nicht abrufbar seien. Der Server funktionierte nicht. Ein Hoch auf die Digitalisierung in unserem Land!
Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, wie die Schulsituation in NRW seit Jahren aussieht. Wenig Planung, viel Ideologie, knappe Investition. Das Versagen des Ministeriums ist ein Schlag ins Gesicht der Schüler.
Damit kämpfen nicht nur die Schulen, die teilweise noch kein vernünftiges W-Lan haben, sondern auch die Lehrkräfte, die nicht in wenigen Fällen, mit den eigenen Laptops arbeiten müssen, weil die Schulen keine Endgeräte für sie haben. Personalmangel, marode Schulgebäude, ideologisierte Lehrpläne und nun die Erkenntnis, dass die Digitalisierung nicht nur an den Schulen nicht funktioniert, sondern auf der Ministerialebene eben auch nicht. Die Digitalisierung hat mit dem Tablets für die Schüler angefangen, und dort hat sie anscheinend auch aufgehört. Die Probleme reihen sich da systematisch aneinander.
Die Frage, die wir uns stellen sollten, ist, wie sinnvoll ist diese Art von Digitalisierung an den Schulen?
Wie erstrebenswert ist es zum Beispiel, dass wir das Selbstgesteuerte Lernen, bei dem sich die Kinder mit den Tablets während der Schulzeit „selbst“ alles beibringen sollen, weiter nach vorne pushen? Ist die Rolle eines Lehrers, der nur als „Coach“ oder als „Begleiter“ der Schüler gesehen werden soll, wünschenswert?
Die Fähigkeit zu erwerben, mit den Informationen gut umzugehen, sie gut zu sammeln und zu selektieren ist als Zentralkompetenz in allen Lehrplänen erkennbar. Dabei geht aber fundamental etwas verloren: Die Schönheit, ein Gedicht auswendig zu können, die nötige Geduld und Übung, die man braucht, um schön schreiben zu können (Schönschreiben wird nicht mehr in den Grundschulen beigebracht, sondern die vereinfachte Ausgangsschrift), die Disziplin, und vor allem die Bindung gehen verloren! Die Dekonstruktion der Rolle des Lehrers ist da und wird durch die Digitalisierung deutlich verstärkt.
Die Nutzung digitaler Medien und Endgeräte sichert noch keine Lernfortschritte, das belegen inzwischen viele Studien.
Ich hoffe, dass die Fortbildung der Lehrer in digitalem Unterricht in den MINT-Fächern, die vom Bundesbildungsministerium unterstützt wird, tatsächlich etwas bringt. Der Bund investiert bis 2026 bis zu 205 Millionen Euro dafür. Dass die Beamten des Ministeriums in NRW auch eine vernünftige Fortbildung bekommen werden, ist sehr zu wünschen.
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- Andrea_Heck_Elternverein_NRW_2.PNG: dpa