Wir sollten gut überlegen, bevor wir christliche Feiertage abschaffen

von PETER WINNEMÖLLER

Es gab, glaubt man den alten Erzählungen, in vielen Dörfern den Brauch, dass die katholischen Frauen am Karfreitag die Wäsche draußen zum Trocknen aufhängten. Karfreitag ist für evangelische Christen der höchste Feiertag. Die evangelischen Hausfrauen revanchierten sich, in dem sie an Fronleichnam Wäsche in den Garten hingen. Das war echte Old School – Ökumene.

In der Tat wurde und wird der Karfreitag in der katholischen Kirche vergleichsweise stiefmütterlich behandelt. Am Karfreitag gilt streng genommen nicht einmal die Feiertagsruhe für einen Katholiken. Dennoch ist es kein Tag wie jeder andere, es ist einer von zwei verbliebenen Fast- und Abstinenztagen. Das heißt, dass katholischen Christen am Karfreitag auf Fleisch verzichten sollen (Abstinenz) und neben einer Sättungsmahlzeit nur zwei kleine Stärkungen zu sich nehmen dürfen(Fasten). Ausgenommen vom Fasten sind Kinder, Alte, Kranke und schwer arbeitende. Das ist nichts, was nicht zu leisten wäre. Die Kirche überfordert  niemanden.

Die volkstümliche Tradition kennt zahlreiche fromme Bräuche am Karfreitag. Da gibt es Kreuztrachten und Kreuzwege, Heilige Gräber und Grablegungen in Kirchen und anderes. Die Liturgie der Kirche am Karfreitag ist so sonderbar wie der Tag selber. Im Grunde greift der Karfreitag den Gründonnerstag auf. Nun ereignet sich in realiter, was in der Einsetzung der Eucharistie vorweg genommen wurde: Die Kreuzigung. Die Kirche versammelt sich zur Todesstunde Christi um 15 Uhr zu einem Gottesdienst, den es so tatsächlich nur einmal im Jahr gibt. Passionserzählung und Kreuzverehrung sowie die anschließende Spendung der Kommunion sind die Höhepunkte. Ein Open End beschließt den Gottesdienst. Er bleibt offen für das Geschehen der Osternacht.

Danach geht die Gemeinde zumeist still auseinander. Die Liturgie des Tages, wie die Kirche sie begeht, lässt niemanden kalt. Im Grunde beginnt dann das, was die Kirche den ganzen Karsamstag über tut: Still am Grab Jesu verharren. Wir wissen ja, dass Ostern kommt, doch wir bleiben bei den Jüngern Jesu, die nichts davon wußten, obwohl es der Herr angekündigt hatte. Sie verblieben still und verschreckt beieinander.

Diese Stille, in der wir am Grab ausharren und auf die Osternacht warten, ist es, die den Karfreitag zu einem stillen Feiertag macht. Unterhaltungen, wie Theater, Kino oder andere Aufführungen sind gesetzlich eingeschränkt. Tanzveranstaltungen sind bis zum kommenden Morgen um sechs Uhr untersagt. Begründet ist dies durch den kulturprägenden Charakter des Christentums in Deutschland. Man sieht auf den ersten Blick, wie sehr Kultur dann doch zu kurz greift, denn für die Kirche ist ja auch der Karsamstag, an dem staatlich schon wieder gefeiert werden kann, noch ein stiller Tag.

Gerade das Tanzverbot, welches in den meisten Bundesländern an drei Tagen im Jahr gilt, wird jährlich wieder angeprangert und durch manchmal mehr, manchmal weniger witzige Aktionen unterlaufen. Es wurde auch früher am Karfreitag in Diskotheken getanzt. Man machte die Musik etwas leiser und passte auf, dass der Typ vom Ordnungsamt das nicht mitbekam. Fertig. Kein öffentliches Mimimi, wie es heute üblich ist. Inzwischen wird insbesondere von linken politischen Kräften eine doch sehr moralisch daher kommende Protesthaltung unterstützt. Man moniert eine angebliche Dominanz durch eine nur noch Minderheit an Christen in der Gesellschaft. Und wenn man auch an 362 Tagen im Jahr nicht tanzen mag, am Karfreitag muss man tanzen. Bei Katholiken gibt es einen alten Spruch: Karfreitag schmecken die Schnitzel am besten. Das heißt, was so selbstverständlich ist, fällt oft erst auf, wenn es fehlt. So gewinnt der Verzicht seinen tieferen Sinn. Aber wer den Himmel auf Erden sucht, will nicht verzichten.

Es gibt zwei Einwände, denen man sich vielleicht auch dann nicht verschließen sollte, wenn man das Christentum ablehnt. Zum einen ist es tatsächlich eine Frage der Kultur. Unser Land ist davon geprägt, sonst gäbe es diese Traditionen nicht. Sie haben sich bewährt, sonst hätte man sie nicht erhalten. Schafft man sie ab, ist dies nicht nur begründungspflichtig, es ist auch Pflicht, redlich Auskunft zu geben, was dem folgt. Das nämlich ist der zweite Einwand: Wer heute am Karfreitag tanzt, geht in zehn Jahren am Karfreitag arbeiten. Und nicht nur dann, sondern auch am Ostermontag und an vielen anderen Tagen, die heute noch frei sind, weil Christen unsere Kultur geprägt haben. Nimmt man den kulturprägenden Charakter der Feiertage, so fallen die Feiertage selbst in kürzester Zeit.

Einem Katholiken kann es gleich sein. Für uns ist Karfreitag. Auch am historischen Karfreitag in Jerusalem war ein Alltag. Man ging seiner Geschäfte nach und sicher gab es hier und da eine Party. Die Jünger zerstreuten sich aus Angst oder verharrten unterm Kreuz. Der Karfreitag ist kein Tag, an dem man triumphiert, kein Tag an dem man unbedingt feiern muss oder frei haben muß. Man kann auch etwas eher Feierabend machen, um in die Liturgie zu kommen, wenn es einem etwas wert ist. Doch die Tänzer, die am Karfreitag unbedingt Party machen mussten, werden dann wieder um ihre Party gebracht. Der Mammon kennt keinen freien und keinen stillen Tag. Man kann sich das überlegen, ob man das so möchte. Doch es sollte gut durchdacht sein.

Natürlich nützen alle diese Hinweise der Vernunft überhaupt nichts. Sobald es eine politische Mehrheit gibt, die einen Feiertag, auch einen stillen Feiertag abschaffen will, ist er weg. Der Buß- und Bettag mag als warnendes Beispiel gelten. Es war nur ein Federstrich mit dem dieser einst für evangelische Christen bedeutsame Feiertag von jetzt auf gleich verschwunden war. Man wollte die Pflegeversicherung damit finanzieren. Man wird auch für den Karfreitag einen guten Grund finden, wenn es nicht mehr mehrheitsfähig ist, dass der Tag, an dem wir der Kreuzigung Christi gedenken, ein freier Tag sein soll. Machen wir uns nichts vor, der gesellschaftliche Trend läuft uns zuwider.

Allen Lesern wünsche ich dennoch einen ruhigen, besinnlichen und stillen(!) Karfreitag. Und all jenen, für die es etwas bedeutet, ein gesegnetes österliches Triduum und ein frohes Osterfest!

Bildquelle:

  • Karfreitag: dpa

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