von ULRIKE TREBESIUS
BERLIN – Die CDU hat die Quittung erhalten: für 16 Jahre Angela Merkel, die ihre Partei bis zur Unkenntlichkeit umgebaut hat. Für Amt- und Mandatsträger, die diesen Umbau bereitwillig mitgetragen haben. Für eine Politik, die die oft selbstgemachten Probleme im besten Falle verwaltet hat. Für einen schwachen Kanzlerkandidaten, der von Anfang an nicht der Kandidat der Basis war.
Es ist die Quittung für eine Partei, die viele eigene Positionen über Bord geworfen hat, um sich dem Zeitgeist anzudienen oder eigene Fehler zu kaschieren. Eine Partei, die sich willfährig den Entscheidungen ihrer Kanzlerin unterordnete und kritiklos alle Fehlentscheidungen hinnahm, um des persönlichen Vorteils willen, das eigene Mandat, die eigene Position zu sichern. Eine Partei, die es zuließ, dass eine Kanzlerin ihre Fehlentscheidungen als alternativlos erklärte, weil sie zurecht Angst vor einer Debatte haben musste, welche diese Fehler als solche entlarvt hätte.
Eine Partei, die inhaltliche Auseinandersetzungen unterdrückt und damit die Streitkultur in diesem Land deformiert hat. Eine Partei, die keine Volkspartei mehr sein kann, weil sie jeglichen Bezug zur Bevölkerung dieses Landes verloren hat. Und die, anstatt auf Augenhöhe mit den Menschen in diesem Land zu kommunizieren die Bürger belehrt, gegängelt und erzogen und letztendlich gegeneinander aufgebracht hat. Es ist die Rechnung dafür, dass diese Partei nur noch um sich selbst kreist.
Doch es ist nicht nur die Schuld der CDU, der scheidenden Kanzlerin oder des gescheiterten Kanzlerkandidaten. Ohne eine Bevölkerung, die sich jahrelang bereitwillig hat einlullen lassen, die kritiklos alle Fehlentwicklungen mitgetragen und oft bejubelt hat, die häufig naiv und gutgläubig und zunehmend staatsgläubig ist, wäre dies nicht möglich gewesen. Es ist eine Bevölkerung, die einfach nur in Ruhe gelassen werden möchte. Eine Bevölkerung, die oft nicht einmal versteht, dass sie nicht versteht, welchen Einfluss die politischen Entscheidungen auf ihr Leben haben. Menschen, die zu ängstlich oder zu bequem sind, sich selbst zu informieren und sich selbst eine umfassende Meinung zu bilden.
Hier nur den Medien die Schuld zu geben, würde zu kurz greifen. Wer sich jenseits der öffentlich-rechtlichen oder der sogenannten Qualitätsmedien informieren möchte, findet schon seit Jahren gute Quellen.
Nein, die Menschen in diesem Land leben bereitwillig und gern unter ihrer Käseglocke und glauben, dass man mit Moral und guten Absichten in der Welt bestehen kann. In der wohlmeinenden Absicht, dass sich Totalitarismus und Ausgrenzung in unserem Land nicht wiederholen dürfen, sind wir zu einer intoleranten Gesellschaft geworden, die Diskurs und Streitgespräch nicht als Bereicherung, sondern als Gefahr erlebt.
Der Wohlstand hat uns satt und träge und blind gemacht. Unser Land ist provinziell geworden, obwohl wir doch so weltoffen sein wollen. Das Rendezvous mit der Wirklichkeit wird kommen, denn die anderen Länder haben diese deutsche Schwäche längst erkannt und werden sie für sich nutzen.
Ohne die Menschen in diesem Land, die politischen Fehlentwicklungen seit Jahren brav und klaglos mittragen, wäre diese Politik längst nicht mehr möglich. Deshalb ist es billig, die Schuld nur bei den anderen zu suchen: bei den Parteien, den Medien, der Gesellschaft. Wir sind die Gesellschaft. Wir haben die Politiker bekommen, die wir verdient haben. Jetzt müssen wir die Konsequenzen tragen.
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