von KIRSTINE FRATZ, Zeitgeist-Forscherin
Da ist er nun, der neue Bösewicht auf der Weltbühne, Donald Trump. aggressiv selbstbezogen, nur seine eigene Welt im Blick. Eigennützig will er ein Protektorat gründen, nichts reinlassen was
nicht zu ihm und seinen Vorstellungen passt. Er gilt als beratungsresistent mit instabiler Ich-Struktur, der sich anscheinend ein kindliches Konzept von „Was ich will bekomm ich auch“ erfolgreich erhalten hat. Was Angst macht wird gebannt. Mauern und Grenzen müssen her – „me and America first“ wird es schon richten. Ein Nationalist in eigener Sache.
Während seine gesellschaftspolitische Position gerade allerorts hinreichend diskutiert wird, wäre es doch interessant mal zu schauen, welche Zeitgeist-Dimension Mr. Trump eigentlich für Sie und für mich repräsentiert. Was hat Trump mit Ihrem Lifestyle, Ihrer Art sich in der Welt zu orientieren und zu organisieren und letztlich auch mit Ihrer Art zu shoppen gemeinsam? Denn abgesehen von seiner Dimension als Präsident der vereinigten Staaten, repräsentiert er auch auf eine bestimmte Weise, den Lifestyle der Individuellen Klasse in unseren Breiten. Auch uns überfordern die entfesselten Markte und das massive Angebot was daraus erwächst. Auch bei uns wächst das Misstrauen, was wirklich gut und richtig für uns ist. Um uns selbst zu schützen und um nur die Dinge, die uns wirklich nutzen, durchzulassen, versuchen auch wir unsere Welt wieder kleiner, überschaubarer und vor allen Dingen auf unsere persönlichen Bedürfnisse und Präferenzen zugeschnitten zu machen. „Me first“ und „make me great again“ sind schon lange das Zeitgeist-Versprechen unserer Gegenwart.
Orientierung ist ein hohes Gut geworden. Mit der Devise „Me first“ finden wir unseren Weg durch den Angebots-„Jungle“ der Globalisierung. Überfordert von der Vielfalt, suchen wir die totale Übereinstimmung mit unserem Selbst als Garant für die richtige Entscheidung. Hyper-Individuell, customized und auf unsere DNA abgestimmt sollen Produkte und Dienstleistungen sein, damit wir ganz bestimmt das perfekt Passende für uns bekommen. On demand versteht sich. Die Algorithmen, mit denen Sie durch die endlosen Weiten des Internets surfen, bewerten und klassifizieren Ihre Shopping-Vorlieben, News-Inhalte und Meinungen, um anschließend Ihre Entscheidungs-Muster zu reproduzieren. Sie vertiefen damit Ihr Ich-System genau dort, wo Grenzenlos und Modern eigentlich zur Tagesordnung gehören und errichten ein digitales Protektorat um sich herum. Ihre digitale Mauer, Ihr Gatekeeper, gegen alles was von Ihren Präferenzen abweicht.
Mit „me first“ ist natürlich auch bei uns der erste Schritt zu „Make me great again“ getan. Dabei unterwerfen wir uns der Führung von Fitness Trackern und Food Gurus. Die Autorität der Daten ist dabei Fakt und anders Essende sind eine Gefahr für das eigene Territorium. Vielleicht ist am Ende der individuelle Selbst-Optimierer auch nur ein Nationalist in eigener Sache. Jeder von uns sein eigenes Ministerium für den gesunden Selbstzweck. Mit „Make me great again“ kann man heutzutage eigentlich alles verkaufen.
Diese Art von Selbstbehauptungwillen haben wir Zeitgeist-Teilnehmer allesamt mit Trump gemeinsam. Nur dass die Grenzen für das eigene Wohl bei uns als hippere Gatekeeper daherkommen. Zum Beispiel in Berliner Restaurants, die so streng regional sind, dass kein Pfeffer angeboten wird, oder Münchner Cafés, wo man mit Schimpf und Schande verjagt wird, fragt man nach Zucker für das Qualitäts-Getränk. Doch mit oder ohne Pfeffer, für das geschlossene Weltbild braucht es am Ende den richtigen Partner. Also basteln wir an unseren patriotischen Ich-Profilen, die detailliert unsere Präferenzen und Meinungen wiedergeben und hoffen auf Resonanz. Match nennt man das, und auch hier gehen die Algorithmen in Führung. Beim heutigen Partner-Angebot sehnt man sich eben auch nach klaren Ansagen und heuert moderne Gatekeeper an, um niemanden reinzulassen, der vermeintlich nicht passt. Und dann hofft man auf Stabilität und Wachstum.
Und in dieser sich ständig reproduzierenden Echo-Kammer unseres Selbst passiert eben genau das Gegenteil. Mangel an Empathie und eine instabile Ich-Struktur sind die Folge unseres Lifestyle, glaubt man den neusten Studien von Harvard. Wir verlieren das Gespür für die Zusammenhänge, das große Ganze. Wir stecken fest in einem kindlichen Verlangen nach Aufmerksamkeit und Bedürfnisbefriedigung. Wir sehen von der Welt nur das, was wir sehen wollen und werden dabei von einem großen Stab von Beratern unterstützt. Na kommt ihnen das bekannt vor?
Gatekeeping ist überspitzt gedacht, eine moderne Variante von Nationalismus. Die Nation in diesem Fall ist das Hyper-Individuelle Ich und Trump ist ein Kind dieses Zeitgeistes. Genau wie wir, verspricht er sich von einem komplett auf seine Bedürfnisse ausgerichtetes Umfeld den größten persönlichen Erfolg. Vielleicht empört uns einfach, dass er gerade ganz Amerika seinem Ich hinzufügt und das macht uns Angst – nein soweit würden wir nicht gehen… Das wiederum lässt so manch anderen Gatekeeper zusammenbrechen wie jüngst die Internetseite der Einwanderungsbehörde in Kanada. Bleibt die Frage, wie können wir uns vor soviel patriotischem Selbst schützen? Was wäre ein gutes Protektorat gegen unseren eigenen Irrsinn? Wie wäre es mit Reife, schlägt gerade ein junges Start Up in Boston vor, das sich The Adult Society nennt. In Kursen und Workshops kultiviert man seinen inneren Erwachsenen, um sich und der Welt mit mehr innerer Stärke, Weitsicht und Gelassenheit zu begegnen. Mit persönlicher Stabilität kann man eine komplexe und entfesselte Welt einfach besser aushalten und seinen Teil gestalten, so die Devise. Das Mindset für die Zukunft – Erwachsensein 4.0. Für eine Weltsicht die auch außerhalb unserer Vorlieben existiert.
Vielleicht braucht Trump einfach ein neues Vorbild? Überwinden Sie Ihr Profil, halten Sie Wiederstände aus und buchen Sie eine Kurs bei The Adult Society. Vielleicht erfasst dieser Zeitgeist am Ende auch Mr. Tump.
Bildquelle:
- Donald Trump: dpa