Wie kann ein papstkritischer Katholik Franziskus treu sein?

von PETER WINNEMÖLLER

Wenn Ihnen die Worte „Sine Dubiis“ nichts sagen, dann leben Sie außerhalb einer bestimmten Filterblase der sozialen Netzwerke. Herzlichen Glückwunsch! Es bleibt ihnen einiges erspart. Wenn sie hingegen sofort an einen Weckruf denken, leben Sie in der einschlägigen Filterblase einer sozialen Community von mehr oder weniger konservativen Katholiken. Es bleibt einem dort in diesen Tagen nicht erspart, zu erklären, ob man zweifelt oder nicht. Wer ohne Dubia ist, werfe den ersten Stein.

Seit der Wahl von Papst Franziskus vor nunmehr fast vier Jahren scheiden sich die Geister an diesem unkonventionellen Papst. Von Anfang an war es keine Liebesbeziehung zwischen vielen konservativen Katholiken und diesem Papst. Die oft mutwillig errichteten Fronten werden immer schärfer und härter, je länger das Pontifikat dauert. Dabei sollte man immer bedenken und gewichten, daß der Papst zumeist pastoral und nur sehr selten lehramtlich spricht. Seine Sprache ist locker und nicht jedes päpstliche Wort gehört derzeit auf die Goldwaage. Der Unterschied zu seinen Vorgängern wird im Hinblick auf die Sprache am deutlichsten. Papst Benedikt XVI., der wohl größte lebende Theologe, ließ jedes öffentlich gesprochen Wort gegenlesen. Papst Franziskus spricht sehr oft komplett ohne Manuskript und bleibt nicht selten interpretierbar in dem, was er sagt.

Nach der Familiensynode veröffentlichte Papst Franziskus das Dokument „Amoris Laetitia“. In diesem Dokument findet sich eine Fußnote, die sehr leicht falsch zu interpretieren ist. Viele tun das, andere wehren sich dagegen. Vielleicht ist es aber genau anders herum. Die richtige Interpretation ist derzeit umstritten. Dieser Meinungsstreit in der Kirche bewegt die Gemüter.

Das ist nicht neu. Der Papst gibt keine authentische Lesart vor. Der Grund ist unbekannt. Daher hatten sich vier Kardinäle entschieden, diese Dubia (Fragen/Zweifel) dem Papst vorzulegen. Papst Franziskus hatte erneut nicht geantwortet. Darauf hin hatten die Kardinäle ihre Dubia veröffentlicht. Der Meinungsstreit ist nun in Kirche und Welt öffentlich. Eine solche Diskussion an die Öffentlichkeit zu bringen, erscheint sinnvoll. Die Öffentlichkeit kann der Transmissionsriemen sein, der die Theologie dazu bringt, das Thema ernsthaft anzugehen. Auch das Volk soll seine Meinung dazu sagen dürfen. Der Sensus fidei bedeutet dem Papst viel. Die Familiensynode und das anschließende nachsynodale Schreiben hatte in mindestens einer Frage also nicht etwa Klarheit gebracht, wie es vorgesehen war, sondern Zweifel und Unklarheit ans Tageslicht gebracht. Es hilft nichts, diese Diskussion muß geführt werden. Weil die Kirche in Jahrhunderten denkt, sollte sich niemand Sorgen machen, wenn der Streit nächste Woche nicht entschieden ist.

Nun stehen – scheinbar jedenfalls – Kardinäle gegen den Papst. Das ist nicht so ungewöhnlich. Auch im 2. Vatikanischen Konzil standen plötzlich die Bischöfe gegen die Kurie. Man hatte in der Kurie Texte erarbeitet und dachte, dass Konzil ist nach vier Wochen zu Ende. Das Konzil dauerte drei Jahre und das Ergebnis sah ganz anders aus, als man sich das in der Kurie vorgestellt hat. Die Rezeption des Konzils sah dann noch einmal ganz anders aus, als sich die Väter das vorgestellt hatte. Die Kirche ist dynamisch und lebendig.

Diese Dynamik zeigt sich auch in dem aktuellen Meinungsstreit. Sie bringt allerdings auch Bruchlinien ans Tageslicht, die man kaum vermutet hätte. Einst romtreue Katholiken streiten gerade wider den Papst. Die einen tun dies in großer Gelassenheit, wie eben jene Kardinäle mit ihren Dubia. So lange man sich in der Sache streitet, schreitet man gemeinsam voran. Dagegen ist nichts zu sagen. Der Papst ist auch dann der Papst, wenn er nicht das tut, was mir gefällt. Andere hingegen ergehen sich förmlich in Papst-Bashing. Nicht einmal von Superultraliberalen erlebte man eine solch gehässige Reaktion auf Papst Benedikt XVI., wie man sie jetzt von vermeintlichen Vorbildkonservativen gegen Papst Franziskus erlebt. Ja manche erklären ihn schon mal zum Papa haereticus, zu einem Papst der dem Irrglauben verfallen ist. Bei nüchterner Betrachtung gibt es keine Anzeichen dafür. Aber diese abschreckend abscheulichen Gehässigkeiten sind eine Wirklichkeit in den sozialen Netzwerken.

Da macht es Sinn, sich als Katholik einmal Gedanken darüber zu machen, wie man als eher konservativer Katholik, der vielleicht tatsächlich kritisch auf dieses Pontifikat blickt, seine Treue zum Papst auch in diesen Tagen erklären kann. Denn eines sollte klar sein, papsttreuer Katholik ist wirklich eine Tautologie. Immer!

Wer dies allerdings sozusagen sine dubiis, d.h. ohne Zweifel, tut und dabei den herrschenden Meinungsstreit in Sakramententheologie und Kirchenrecht mit dem unterirdischen Papst-Bashing ehemals Romtreuer vermischt, wird weder den einen noch den anderen gerecht. Da wird förmlich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Bei allem Verständnis dafür, dem Papst zu Seite stehen zu wollen, führt das doch zu weit. Es ist vor allem ein Affront gegen die Kardinäle, die aus Sorge um das Seelenheil der Menschen die Wahrheit suchen. Man muß einen Kardinal Meisner oder Kardinal Brandmüller nicht belehren, wie Papsttreue geht.

Bildquelle:

  • Vatikan_Schweizer Garde: pixabay

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