Wie bei Tom Clancy – aber in echt

Liebe Leserinnen und Leser,

wäre ein großer Krieg in heutigen Zeiten noch vorstellbar? Denken unsere Politiker in großen Linien, entwickeln sie globale Strategien, um die Machtverhältnisse auf diesem Planeten zu zementieren oder zu verschieben? Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber ich halte unser politisches Spitzenpersonal in Deutschland für komplett unfähig für das Denken in großen Linien. Ich meine, Deutschland wird voraussichtlich in den kommenden vier Jahren von Olaf Scholz, Kevin Kühnert, Saskia Esken, Annalena Baerbock und ähnlichen Stars regiert. Und ich klage gar nicht mal darüber, denn unsere Bevölkerung hat mehrheitlich so entschieden. Irgendwie werden wir das überstehen, Bürgerliche hoffen ja, dass die FDP mit Christian Lindner das Schlimmste verhindern wird. Ich bin da nicht so optimistisch.

Während alle seit zwei, drei Jahren von den Chinesen sprechen, die sich aufmachen, die führende Weltmacht zu werden, höre ich aus – sagen wir – gut informierten Kreisen, dass in den Machtzentren des Westens alle zur Zeit sehr entspannt sind, was die angeblich so gefährliche chinesische Bedrohung angeht. Man hört, dass ein großes Spiel läuft, bei dem die Karten allerdings sehr einseitig verteilt sind.

Sie wissen, dass der frühere NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mein persönlicher Lieblingsphilosoph der Neuzeit ist, der in seiner Amtszeit immer wieder auch persönlich im kleinen Kreis darüber sprach, dass alles mit allem zusammenhängt. Und ich bin davon überzeugt, dass er zu 100 Prozent Recht hat.

Denken Sie einfach mal ein bisschen darüber nach, was die Entwicklung des Bitcoins mit der Wirtschaftskraft Chinas zu tun haben könnte, die Taiwan-Krise mit den zwölf amerikanischen Flugzeugträgergruppen, von denen jede einzelne eine Feuerkraft wie im gesamten Zweiten Weltkrieg entwickeln kann. Denken Sie darüber nach, warum jetzt die Diskussion über die vermutlich 20 amerikanischen Atomraketen in Rheinland-Pfalz begonnen hat und Australien gerade – trotz der Verärgerung Frankreichs – mit Unterstützung der USA und Großbritanniens Atom-U-Boote geliefert bekommt. Und was denkt Russland über all das und welche Interessen haben Japan und Indien in diesem Spiel? Und was um alles in der Welt hat Anja Karliczek damit zu tun? Falls Sie es nicht wissen, das ist eine Bundesministerin. Vor unser geschlossenen Augen läuft zur Zeit eine globales Inszenierung ab, die von Tom Clancy stammen könnte.

Die Auflösung dieses Puzzles, wie ich sie mir vorstelle, ist so spannend, dass ich darüber ein Buch schreiben möchte. Habe ich gestern beschlossen. Obwohl es gar nicht mein Thema ist, aber die herumliegenden Enden sind so unfassbar spannend, dass ich völlig in den Bann dieses Themas gezogen werde. Aber ich bin kein Staatsmann und kein Militärstrategie, nur ein Journalist, der jeden Tag die Nachrichten verfolgt. Und es wird mehr und mehr atemberaubend, was überall gerade passiert.

Aber, und das ist der Grund, weshalb ich heute Nacht für Sie darüber schreibe: Deutschland spielt in all diesen Planspielen überhaupt keine Rolle, keiner interessiert sich dafür, was dieses Land zu all dem denkt. Klar, wir wundern uns, dass US-Präsident Joe Biden die China-Politik seines Vorgängers Donald Trump 1:1 fortführt, vielleicht noch härter ist. Aber in Deutschland scheint das wichtigste Thema zu sein, wie wir mehr Lastenfahrräder in den Straßenverkehr bekommen, Autofahrer drangsalieren und was für einen Hut bei dem legendären Foto, das Sie alle kennen, Frau Roth auf dem Kopf hat.

Dieses Land ist so krank, was ist bloß los, dass die Masse der Menschen dieses – ich sag’s nochmal – Kartell der Mittelmäßigkeit gewähren lässt, während besonders in den angelsächsischen Regionen der Welt zur Zeit richtig was los ist?

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.