von MARTIN D. WIND
Ein homosexueller Mann wird von einem Kindergarten in Berlin Reinickendorf als Erzieher eingestellt. Kaum wird das bekannt, regt sich Widerstand: Alte, weiße und heterosexuelle Männer laufen Sturm gegen diese „Kindsgefährdung“.
Halt! Das ist gelogen! Es sind keine „alten, weißen Männer“, die sich zur Wehr setzen. Es sind, wie die Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ ausdrücklich erwähnt, „muslimische Eltern“. Diese haben laut der Geschäftsführerin der KiTa schon ein Problem damit, dass ein Mann sich um Kinder kümmert. Noch weit mehr empörte sie, dass dieser Mann homosexuell ist. Nun sollte man nicht annehmen, dass es sich hier um völlig bildungsferne Menschen handelt, wie man sie häufig in abgehängten Bezirken Berlins findet.
Reinickendorf ist nicht bevorzugte Wohngegend der Etablierten, der Jungen, gut Verdienenden und der Hippen. Es ist aber auch kein typischer sozialer Brennpunkt. Hier ziehen kleine Unternehmer, Facharbeiter oder Gebrauchtwagenhändler hin, die sich „etwas leisten“ können, Eltern, die den Wert der Bildung für ihre Kinder kennen. Der Tagesspiegel spricht von Menschen aus dem „arabischen Bereich, aus Russland, der Türkei, aus Rumänien“. Da bleibt fraglich, ob die Ablehnung eines schwulen Erziehers auf die Herkunft der Eltern oder auf die verbindende Religion zurückzuführen ist. In einem Land, in dem „Homophobie“ unterstellt wird, wenn das Ausleben homosexueller Orientierung für sündig gehalten, der Sünder aber geliebt wird, sollte man annehmen, dass es einen Aufschrei wegen solcher wahrscheinlich religiös begründeter Ablehnung gäbe. Es passiert aber so gut wie nichts.
In unserer offenen und toleranten Gesellschaft, ist ein solches Verhalten jedoch nicht zu dulden. Und das sollte allen hier Lebenden, egal ob schon länger oder erst seit kurzem, und allen Anhängern jeder Religion sehr deutlich gemacht werden: In Deutschland darf niemand wegen seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung benachteiligt oder bevorzugt werden.
Gerade weil das eigentlich so sein soll, bleibt man dann noch heute sprachlos, angesichts vieler gesellschaftlicher und politischer Reaktionen auf die Vorkommnisse der Silvesternacht 2015/16 und – vermindert zwar aber nicht weniger inakzeptabel – 2016/17. Die massenhaften sexuellen Missbräuche sowie die vollendeten Vergewaltigungen von Frauen in Großstädten im gesamten Bundesgebiet, haben eine archaische Verachtung gegenüber Frauen und Mädchen gezeigt, wie man sie in Deutschland und im zivilisierten Mitteleuropa lange nicht mehr kennt. Als verbreitet wurde, dass die Täter – wie die Polizei das nennt – „NafrIs“, also Nordafrikanischen Intensivtäter, gewesen seien, war das veröffentlichte Entsetzen groß: Sofort begannen viele mit entschuldigender Ursachenforschung für das Verhalten dieser zugereisten jungen Männer.
Kaum jemand der Verantwortungs- und Meinungsträger interessierte sich für das Wohlergehen der Opfer. Im Gegenteil. Manche Berichte schrammt haarscharf an der Formulierung „selbst schuld“ entlang. Auch als bekannt wurde, dass die Täter nicht überwiegend Nordafrikaner, sondern Iraker, Syrer, Afghanen und Deutsche waren, war der Fokus noch immer ganz bei den Tätern. Nur das verbindende Element dieser Herkunftsnationalitäten wurde kaum erwähnt. Das ist mehrheitlich die Religion.
Das deutsche Volk hat einen langen Weg in eine offene und tolerante Gesellschaft zurückgelegt. Es gibt die Gleichberechtigung der Geschlechter und in der Regel einen wertschätzender Umgang der Geschlechter miteinander – Ausnahmen wie Krampfemanzen und Machos trüben kaum das Bild. Im intimen Umgang zwischen Mann und Frau dominiert der Respekt vor dem Willen des Gegenübers. Diese zivilisatorischen Errungenschaften sind in Gefahr. Politisch ist kaum ein Wille zu erkennen, sich dieser Bedrohung anzunehmen. In den Kreisen der Verantwortungsträger scheint man sich zu fürchten. Die Ursachen solcher Fehlentwicklungen sollen partout nicht benannt werden: Intolerante Mitmenschen aus fremden und unentwickelten Gegenden der Erde. Wir alle, Männer und Frauen, Homos und Heteros, haben ein Recht darauf, von unserer Politik vor Entwicklungen hin zu archaischen Denk- und Verhaltensweisen geschützt zu werden. Auch das gehört zum „Wohle des deutschen Volkes“.
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- Homosexualität: pixabay