Weiter Unklarheit über Motiv des Anschlags: Eine Festnahme und Hausdurchsuchungen in der Islamisten-Szene

Die Polizei nahm im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den BVB-Bus einen Verdächtigen fest. Foto: Marius Becker

Karlsruhe – Die Polizei hat im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus einen Verdächtigen festgenommen. Insgesamt gebe es zwei Verdächtige, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler, in Karlsruhe.

Sie sprach von einem terroristischen Hintergrund der Tat und möglichen islamistischen Bezügen. Es gibt nach Regierungsangaben keine Informationen für eine besondere Bedrohungslage vor dem neu angesetzten Champions-League-Spiel des BVB. Das Bundesinnenministerium habe keine Hinweise darauf, sagte ein Sprecher in Berlin. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) versprach den Fans für das Spiel gegen den AS Monaco am Abend (18.45 Uhr) größtmögliche Sicherheit. «Wir haben die Polizeikräfte in Dortmund für heute Abend nochmal deutlich erhöht», sagte er.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte den Anschlag als widerwärtige Tat. Sie habe in einem Telefonat mit BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke dem Trainerstab, der Mannschaft und den Fans alles Gute gewünscht, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Sie habe ein großes Lob an die Fans beider Mannschaften und an die Polizei ausgesprochen. Sie sei wie viele Millionen Menschen entsetzt. «Das ist eine widerwärtige Tat», sagte Seibert.

Die Hintergründe der Tat vom Dienstagabend mit zwei Verletzten bliebt unklar. Der Angriff hatte sich am Dienstagabend ereignet. Der BVB-Bus war gerade vom Mannschaftshotel in Richtung Stadion losgefahren, um das Team zum Viertelfinale der Fußball-Königsklasse gegen Monaco zu bringen, als die in einer Hecke versteckten Sprengsätze detonierten. Dortmunds Abwehrspieler Marc Bartra wurde schwer an Hand und Arm verletzt und operiert. Ein Polizist erlitt ein Knalltrauma und einen Schock. Die Ermittler gingen von einer gezielten Attacke auf den Bus aus. Sie sprachen vom Verdacht auf ein versuchtes Tötungsdelikt.

Die Sicherheitsbehörden prüften die Echtheit von zwei Bekennerschreiben. Ein in Tatortnähe gefundenes Schriftstück mit islamistischem Hintergrund weise Besonderheiten auf, betonte der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Bei Anschlägen, die in der jüngsten Vergangenheit einer islamistischen Motivation zugeordnet worden seien, habe es eine solche Konstellation mit einem Bekennerschreiben nicht gegeben.

Merkel wird in dem am Dienstagabend in Tatortnähe gefundenen Bekennerschreiben namentlich erwähnt. In dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Schreiben heißt es: «Aber anscheinend scherst du dich Merkel nicht um deinen kleinen dreckigen Untertanen. Deine Tornados fliegen immer noch über dem Boden des Kalifats, um Muslime zu Ermorden.»

Im Satz zuvor wird auf den Islamisten-Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember mit zwölf Toten verwiesen. Das eine Seite lange Schreiben ist nicht handschriftlich, sondern offenbar am Computer geschrieben. In Ermittlerkreisen wird es als für die Islamisten-Szene ungewöhnlich bezeichnet. Auf dem Schreiben fehlten beispielsweise Symbole der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), erfuhr die Deutsche Presse-Agentur als Begründung. Zudem sei das Vorgehen der Täter im Vergleich zu früheren Angriffen mit IS-Bezug untypisch.

Das zweite Bekennerschreiben wurde am Dienstagabend im Internet verbreitet. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird darin erklärt, dass der Bus mit eigens für den Angriff angefertigten Sprengsätzen als «Symbol für die Politik des BVB» attackiert worden sei. Der Fußballclub habe sich nicht genügend gegen Rassisten, Nazis und Rechtspopulisten eingesetzt. Die Echtheit des Schreibens wird allerdings bezweifelt. «Wir halten das Schreiben für einen Nazifake», teilten die Betreiber des Internetportals Indymedia linksunten mit. «Weder Inhalt noch Sprache deuten auf einen linken Hintergrund hin, deshalb haben wir es bereits sehr kurz nach der Veröffentlichung gelöscht.»

Die Dortmunder Mannschaft absolvierte am Vormittag auf dem Trainingsgelände eine knapp halbstündige, nicht öffentliche Übungseinheit. Vor dem Gelände versammelten sich einige Fans. Auf einem Plakat stand: «You’ll never walk alone». Nach dem Training verließen die meisten Profis das Gelände wieder mit ihren Privatwagen. «Ich habe gerade in der Kabine an die Mannschaft appelliert, der Gesellschaft zu zeigen, dass wir vor dem Terror nicht einknicken», sagte BVB-Geschäftsführer Watzke. «Wir spielen heute nicht nur für uns. Wir spielen für alle. Egal, ob Borusse, Bayer oder Schalker.»

Am Morgen sicherte die Polizei den Tatort und suchte nach Spuren. An den Zufahrten standen Einsatzkräfte mit Maschinenpistolen und schusssicheren Westen. Die Polizei kündigte an, mit verstärkten Kräften bei dem Nachholspiel am Mittwochabend für Sicherheit sorgen. Wegen verstärkter Kontrollen sei mit Wartezeiten beim Einlass sei zu rechnen, hieß es in einer BVB-Mitteilung. Rucksäcke dürften nicht mit ins Stadion genommen werden.

Auch bei dem Champions-League-Heimspiel des FC Bayern München gegen Real Madrid am Abend (20.45 Uhr) sollten Polizeiangaben zufolge mehr Beamte als geplant eingesetzt werden. Der Deutsche Fußball-Bund äußerte sich zunächst nicht über mögliche Folgen für künftige Bundesligabegegnungen.

Bildquelle:

  • Maßnahme: dpa

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren