Weder Pleitenwelle noch große Wirtschaftskrise: Deutschlands Unternehmer trotzen der Corona-Krise

Viele Unternehmer scheinen trotz Corona die Lage unter Kontrolle zu haben.

von PROF. DR. PATRICK PETERS

BERLIN – Was gab es für ein Geschrei: Die Hilfspakete taugen nichts, die Politik lässt Unternehmen am laufenden Meter kaputtgehen, Deutschlands Wirtschaft steht vor dem Ruin, die riesige Insolvenzwelle kommt und, und, und. Auch der Autor dieses Artikels selbst hatte die Klagerufe mehr als einmal (öffentlich und nicht-öffentlich) angestimmt. Und wie sieht jetzt die Realität aus? Ganz anders – und zwar ermittelt von verschiedenen Institutionen, die nicht dafür bekannt sind, als verlängerter Arm der Regierung geschönte Zahlen und Einschätzungen zu verteilen.

Selbst nach dem Wegfall der Aussetzung der Insolvenzantragpflicht für krisengeschüttelte Unternehmen ist kein Anstieg der Insolvenzzahlen zu beobachten. Offensichtlich haben die Firmen, die das Instrument genutzt haben, die Zeit dafür verwendet, sich zu stabilisieren. Das Statistische Bundesamt weist für den Monat Mai 2021 einen Anstieg von nur fünf Prozent bei den Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem Vorjahresmonat aus. Dieser liegt aber weiterhin deutlich unterhalb der Zahlen des Jahres 2019 (minus zehn Prozent). Damit bleibt die nach Aufhebung der Aussetzung der Antragspflicht von vielen prognostizierte Insolvenzwelle weiterhin aus. Die deutschen Unternehmen scheinen in vielen Fällen die Coronazeit unbeschadet zu überstehen, heißt es beim Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID).

Der Grund: Die meisten Hilfen der Bundesregierung seien mittlerweile bei den betroffenen Unternehmen angekommen. Diese vorhandene Liquidität werde von den Finanzämtern und den Sozialversicherungsträgern trotz umfangreicher Stundungen nicht eingefordert. „Fiskus und Kassen haben sich schon sehr früh auf eine Praxis fortlaufender Stundungen verständigt, um die staatlichen Hilfsmaßnahmen nicht durch Zwangsvollstreckungen und Insolvenzanträge zu unterlaufen“, erklärt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des VID. Diese Haltung der sogenannten institutionellen Gläubiger verhindere zahlreiche Fremdanträge bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – zumindest derzeit. Denn, so gießt der VID etwas Wasser in den Wein, sollte sich dieses Verhalten ändern, werde sich dies auch bei den Insolvenzzahlen widerspiegeln.

Für Dr. Christoph Niering ist dies aber nicht weiter schlimm. Mit weiterer Rücknahme der pandemiebedingten Einschränkungen würden die institutionellen Gläubiger möglicherweise noch in diesem Jahr zu ihrer früheren Praxis zurückkehren und dann auch wieder vermehrt Insolvenzanträge stellen. „Damit kommen wir der notwendigen volkwirtschaftlichen Normalität ein Stück näher“, so der VID-Vorsitzende.

Auch beim Kreditversicherer Euler Hermes ist man sehr zufrieden mit der Hilfspolitik der Regierung. Dort weist man auf den gemeinsamen Schutzschirm von Bund und Warenkreditversicherern für die deutschen Unternehmen hin, der vereinbarungsgemäß am 30. Juni 2021 ausläuft. „Wir haben unser gemeinsames Ziel erreicht, Lieferketten weitestgehend zu stabilisieren und Insolvenzen möglichst zu verhindern“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Unsere Kunden konnten ihre Geschäfte nahezu unverändert fortführen – trotz der Wirtschaftskrise. Das ist ein Erfolg und der Schutzschirm hat seinen Zweck erfüllt.“

Euler Hermes weist die Insolvenzzahlen detailliert aus. Insolvenzen sind 2020 um minus 15,5 Prozent gesunken (auf den tiefsten Stand seit 1993) und dürften auch Ende 2021 nach der aktuellen Einschätzung des führenden Kreditversicherers trotz einer Zunahme um sechs Prozent noch unterhalb des Niveaus von 2019 liegen. Erst 2022 dürfte es mit plus 15 Prozent zu einem deutlicheren Anstieg kommen, allerdings weiterhin von einem sehr niedrigen Niveau kommend. Denn diese Fallzahlen dürften sich Ende 2022 in etwa auf dem Niveau von 2017 bewegen. Damit seien diese noch immer weit entfernt von den Höchstständen nach der Wirtschaftskrise 2009.

Und laut Creditreform waren von der Insolvenz des Arbeitgebers betroffen waren im ersten Halbjahr 2021 insgesamt rund 90.000 Beschäftigte (erstes Halbjahr 2020: 125.000). Die Schäden für die Gläubiger von insolventen Unternehmen beliefen sich auf geschätzt zwölf Milliarden Euro. Auch hier gab es einen Rückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum (15,6 Milliarden Euro).

Was heißt das nun für die deutsche Wirtschaft? Zum einen ist diese (weitgehend) intakt und wird aus dieser fundamentalen Krise ziemlich unbeschadet hervorgehen. Natürlich werden Unternehmen auf der Strecke bleiben – aber spricht man mit Praktikern, sind das meistens die Unternehmen, die auch schon vor der Krise Probleme hätten und sich nur durch das billige Geld der Niedrigzinsphase irgendwie über Wasser halten konnten. Und zum anderen darf man, zumindest teilweise, die negative Bewertung der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung revidieren. Es ist nicht alles eitel Sonnenschein. Aber das Ziel, die Wirtschaft zu schützen, Arbeitsplätze und Wohlstand zu erhalten, ist letztlich doch gelungen.

Bildquelle:

  • Unternehmer_Krawatte: dpa

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