Weder Atomwaffen noch Geheimlabore: Aber Fake News ohne Ende

Nur noch Schrott: Reste der einstigen Atomstreitmacht Ukraine.

von KLAUS KELLE

WASHINGTON – Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit. Die Urheberschaft zu diesem berühmten Satz wird in den verschiedenen Zitate-Sammlungen im Internet mindestens einem Dutzend bekannten und unbekanten Autoren zugeschrieben. Lassen wir also die Quellensuche und wenden wir uns dem Wahrheitsgehalt zu. Und der ist immens. „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, sagte einst der Staatsratsvorsitzende der DDR-Diktatur, Walter Ulbricht, kurz bevor er seine Bauarbeiter losschickte, um genau diese Mauer zwischen Ost- und West-Berlin zu bauen. Und kurz vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine gab es kaum eine Gelegenheit, wo Wladimir Putin und Sergej Lawrow nahezu empört zurückwiesen, man plane eine Invasion.

„Wir können auf unserem Territorium Manöver abhalten, wie wir Lust haben“, hieß es dann. Und der Propagandaapparat nährte sogar Hoffnungen, als er verbreitete, die ersten Truppen rückten schon wieder ab in ihre Kasernen. Und wie witzig fanden das auch deutsche Putin-Fans, als der amerikanische Präsident Biden öffentlich erklärte, die amerikanischen Geheimdienste hätten Informationen, dass am Mittwoch der Krieg beginne – und dann begann er gar nicht. Die doofen Amis wieder…

Doch die Wahrheit ist: Am Montag danach begann der Krieg dann wirkich und rollten die russischen Panzer. Seit Beginn der Ukraine-Krise und in den Monaten davor haben die USA genau vorhergesagt, was passieren wird und welche Intentionen der Kreml hat. Während Russland wieder und wieder gelogen hat.

Und jetzt also die die geheimen Atomraketen, die es in der Ukraine geben soll, wie man aus Moskau verbreitet. Uhuhuhu…Atomraketen…in der Hand der bösen Faschichsten in Kiew. Da gruselt es dem deutschen Tagesschau-Zuschauer. Und, weil das noch nicht reicht, verbreiten sie jetzt das offenkundige Märchen, die Ukraine sei dabei, nukleare oder biologische Waffen zu entwickeln. Natürlich in ganz doll geheimen Laboren. CIA bestimmt oder Hillary Clinton heimlich aus dem Keller einer Pizzeria in Washington. Oder wie auch immer.

Die Geschichten können nicht abstrus genug sein, das geneigte Publikum, dass schon immer die USA als das Hort des Bösen sehen will, sie glauben alles, wenn es nur ihr eigenes Weltbild zu zementieren hilft.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums namens Ned Price stellte jetzt klar, die «russischen Falschinformationen sind kompletter Unsinn». Die USA betrieben keine Labore für biologische oder chemische Waffen in der Ukraine und respektierten die internationalen Verträge zu chemischen und biologischen Waffen vollumfänglich.

Und jetzt auf Knopfdruck alle: „Die Amerikaner haben auch bei den Massenvernichtungswaffen Saddams gelogen!“ Punkt. Da kann man (leider) nicht widersprechen, und weg ist die amerikanische Jungfräulichkeit von der unbefleckten Wahrheitsliebe. Aber das war sie auch vorher schon.

Nur, dass die Amerikaner auch schon gelogen haben in ihren Kriegen, das macht die aktuellen Lügen des Kremls und seiner Lautsprecher ja nicht besser.

Moskau wolle mit der Verbreitung von Falschinformationen den Weg dafür bereiten, den ungerechtfertigten Angriffskrieg in der Ukraine weiter zu eskalieren, warnte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki, auf Twitter. Russland folge dabei einem klaren Verhaltensmuster – entweder um selbst Massenvernichtungswaffen einzusetzen, oder um einen Angriff durch die Ukrainer vorzutäuschen, um eine Rechtfertigung für die Fortsetzung des Kriegs zu konstruieren, schrieb Psaki.Was sollten wir denn machen? Die bösen Faschisten in der Ukraine haben uns doch bedroht? Oder so.

Die Wahrheit ist auch hier eine andere. Es gibt nicht den geringsten Beleg für die Behauptung, die Ukraine bastele in irgendwelchen dunklen Kellern an C-Waffen oder haben irgendwo Atomsprengköpfe gelagert. Es ist einfach ein Mittel des Kampfes um die Meinungshoheit in diesem Krieg. Tatsächlich ist es Russland, das mal einem politische Widersacher von Präsident Wladimir Putin wie Alexej Nawalny Nervengift in den Tee träufelt. Oder dass den syrischen Machthaber Baschar al-Assad, dessen Regime «wiederholt chemische Waffen eingesetzt hat», unterstützt.

Zuvor hatten übrigens auch die Vereinten Nationen erklärt, nichts über angeblich in der Ukraine produzierte Massenvernichtungswaffen zu wissen. UN-Sprecher Stephane Dujarric sagte in New York, der Weltgesundheitsorganisation seien «keine Aktivitäten der ukrainischen Regierung bekannt, die ihren internationalen Vertragsverpflichtungen widersprechen, einschließlich chemischer oder biologischer Waffen.» Na, klar, es gibt ja auch keine. Aber sicher werden die UN heimlich von der CIA gesteuert….

Bildquelle:

  • Ukraine_Raketen_Schrott: theGermanZ

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.