WASHINGTON – Der frühere FBI-Agent Ali H. Soufan, Amerikaner lybischer Abstammung, zählt zu den angesehendsten Terrorismus-Experten weltweit. Der Autor mehrerer Bestseller – zuletzt 2017: Anatomy of Terror: Vom Tod Bin Ladens bis zum Aufstieg des Islamischen Staates“ – hat sich mit seinem gemeinnützigen Soufan Center der Forschung, Analyse und dem strategischen Dialog im Zusammenhang mit globalen Sicherheitsfragen und neu auftretenden Bedrohungen verschrieben. Im jahr 2018 wurde Soufan mit dem Kennedy-Preis ausgezeichnet.
Das Soufan Center hat sich in einer neuen Studie mit „QAnon“ beschäftigt, einem Kult, der auch in Deutschland am Rande von Qerdenker-Demonstrationen auftritt. Obwohl das weltweite Netzwerk Twitter intensiv versucht, QAnon-bezogene Beiträge zu löschen, lesen rund um den Erdball Millionen Menschen die teilweise kruden verschwörungstheorien um den angeblichen „Deep State“, der viel mächtiger als das Weiße Haus sei und nur von Präsident Donald Trump hätte aufgehalten werden können. Doch der, so enttäuschte QAnon-Anhänger, habe versagt.
QAnon, so Soufan, steuere seine globalen Aktivitäten nicht zentral. Der Erfolg beruhe darauf, dass Tausende Einzelpersonen und kleine Gruppen, von denen die meisten nicht organisiert seien, die Verschwörungs-Geschichten verbreiten. FBI und andere amerikanische Behörden weisen zunehmend darauf hin, dass auch das Ausland in diesem Bereich aktiv ist. So machten „Spreader“ aus dem Ausland im Jahr 2020 19 Prozent der QAnon-bezogenen Propaganda auf Facebook aus. Tendez steigend.
Diese Aktivitäten werden in einem Weißbuch des Soufan Center analysiert, das seinen Sitz in New York hat.
Der Bericht ist reich an technischen Details, aber eine wichtige Feststellung ist, dass China Russland inzwischen als Hauptakteur ersetzt habe, der bei der Verbreitung der QAnon-Erzählungen auf Facebook aktiv ist. Diese Beiträge stammten definitiv nicht von chinesischen Privatpersonen (Facebook ist in China offiziell verboten), sondern eindeutig von staatlichen Akteuren.
„Im Jahr 2021 ist China der wichtigste ausländische Akteur, der online für QAnon-Erzählungen wirbt“, schließt das Soufan Center aus seinen Recherchen. Vorher sei Russland vorn gewesen.
„58 Prozent der Facebook-postings über QAnon-Thesen stammen momentan, also 2021, von Administratoren in China – mehr als doppelt so viele wie von russischen Administratoren.
China versuchte von Russland zu lernen und nachzuahmen, was Russen tun. Es sei auch möglich, dass China und Russland bei der Förderung von QAnon zusammenarbeiten. „Chinas Desinformationsfähigkeit sei seit 2019 gereift, und das Vertrauen in diese asymmetrische Taktik habe exponentiell zugenommen. China sehe ich selbst für weniger anfällig für Q-Thesen als Russland, die USA und die westlichen Demokratien. Deshalb fördere es diese Erzählungen, um das Vertrauen der Büger in staatliche Institutionen zu untergraben.
Bildquelle:
- QAnon_Anhängerin: AFP