BERLIN – Kurz vor der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus haben die Parteien am Freitag noch einmal alle Kräfte mobilisiert, um sich Mut zu machen und die Wähler von ihren Konzepten zu überzeugen. Denn die Wahl am Sonntag gut 16 Monate nach dem Pannendebakel 2021 könnte die politischen Verhältnisse in der Stadt verändern.
Der Berliner Verfassungsgerichtshof hatte die Wahl zum Abgeordnetenhaus vom 26. September 2021 wegen «schwerer systemischer Mängel» und zahlreicher Wahlfehler für ungültig erklärt und eine komplette Wiederholung angeordnet. Das gab es so noch nie in Deutschland.
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz warb für einen politischen Wechsel im bislang rot-grün-rot regierten Berlin. «Wenn die Umfragen einigermaßen richtig sind, dann haben wir alle Chancen, am Sonntag auf Platz eins zu liegen», sagte er. Es gebe sogar die Chance, mit Spitzenkandidat Kai Wegner den nächsten Senat zu führen.
CDU in Umfragen klar vorn
Wegner sagte, Wechselstimmung sei da. «Der Wechsel ist möglich. Aber das Rennen ist noch offen.» Der rot-grün-rote Senat könne «es leider immer noch schaffen», sagte er mit Blick auf Umfragen, nach denen SPD, Grüne und Linke weiter eine Mehrheit haben. Deswegen gehe es in den verbleibenden Stunden bis zur Wahl noch um jede Stimme.
Am späteren Nachmittag wurden beim Wahlkampfabschluss der Grünen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erwartet. Die FDP bietet ihren Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner auf, die AfD ihren Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla. Die Berliner Linke wollte bei ihrer Veranstaltung ohne Bundespolitiker auskommen. Die Berliner SPD mit Spitzenkandidatin und Regierungschefin Franziska Giffey plante keinen derartigen Wahlkampfabschluss.
Wer die Geschicke Berlins künftig bestimmt, ist offen. Seit 2016 regieren SPD, Grüne und Linke zusammen, im Dezember 2021 erneuerten sie die Koalition. In den drei am Donnerstag veröffentlichten Umfragen lag allerdings die CDU mit 24 bis 25 Prozent vorn. Die SPD kam auf 19 bis 22 Prozent und rangierte damit vor den Grünen, die in den Umfragen 17 oder 18 Prozent erreichten. Die Linke lag bei 11 bis 12 Prozent, die AfD bei 9 bis 10 und die FDP bei 6 bis 7 Prozent. Auf sonstige Parteien entfielen in allen Umfragen zusammen 10 Prozent.
Kann die CDU Partner finden?
Rechnerisch möglich sind demnach verschiedene Bündnisse unter CDU-Führung. Das wäre im Dreierformat mit FDP sowie SPD oder Grünen machbar, zwei Umfragen sahen auch eine Mehrheit für eine Zweier- Koalition von CDU und SPD. Ob es CDU-Mann Wegner im Falle eines Wahlsiegs tatsächlich gelingt, eine Koalition unter seiner Führung zu schmieden, ist allerdings offen.
SPD-Frau Giffey, die seit Dezember 2021 Regierungschefin ist, hat sich im Wahlkampf nicht auf eine Koalitionspräferenz festgelegt. Am Freitag deutete sie die Möglichkeit an, auch im Falle eines CDU-Wahlsieges Rot-Grün-Rot fortzuführen oder ein anderes Bündnis jenseits der Union zu schmieden. «Wenn ich die Wahl habe, Regierende Bürgermeisterin zu werden oder Herrn Wegner zum Regierenden zu machen, nehme ich Möglichkeit 1. Das ist doch wohl klar», sagte Giffey im Interview mit «B.Z.» und «Bild».
Bildquelle:
- Wahlkampf in Berlin: dpa