Vor 23 Jahren löste sich die RAF selbst auf: Doch einige der Linksterroristen laufen noch herum

von DIETRICH KANTEL

BERLIN – Über 20 Jahre lang mordeten und raubten die, die sich selbstverklärt als kommunistische antiimperialistische Stadtguerilla verstanden: Die Rote Armee Fraktion, RAF. Nach außen sich formal rechtfertigend mit Klassenkampfideologie offenbarten die RAFler – Gründer der anfangs noch Baader-Meinhof-Gruppe genannten Bande – alsbald in Taten, dass es sich bei ihnen lediglich um eine linksextreme Terroristentruppe handelte. Wo Klassenkampf zur Befreiung der unterdrückten Arbeiterklasse draufstand, war letztlich nur Terror gegen den Staat Bundesrepublik Deutschland drin.

„Natürlich kann geschossen werden“

Schon 1970 proklamierte RAF-Mitbegründerin Ulrike Meinhof gegenüber der französischen Journalistin Michéle Ray „Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.“

Spricht man von der RAF meint man verkürzt drei unterschiedliche Generationen. Dabei generierten sich die jeweiligen Nachfolgegeneration durch Selbstradikalisierung aus dem gar nicht so kleinen Umfeld von Sympathisanten nach Verurteilungen von Akteuren der Vorläufergeneration. Bis zu 80 aktive Terroristen umfassten die drei bekannten RAF-Generationen. Mit Banküberfällen, Sprengstoffanschlägen, Geiselnahmen und Morden forderten sie Staat und Gesellschaft der Bundesrepublik heraus. 34 Morde werden ihnen zugeschrieben an Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung wie auch an „einfachen“ Menschen wie Fahrern, Polizisten, Soldaten, Zollmitarbeitern.

Deutscher Herbst – Der Staat zeigt Stärke

Höhepunkt des Linksterrorismus bildete der Deutsche Herbst im September/Oktober 1977 mit der Entführung von Arbeitgeberpräsident Schleyer durch die sogenannte Zweite RAF-Generation. Vier seiner Mitarbeiter wurden erschossen. Forderung der Entführer: Freilassung der inhaftierten RAF-Mitglieder. Die Bundesregierung von Bundeskanzler Helmut Schmidt (in einem Krisenstab unterstützt von Vertretern aller Parteien) ging auf die Forderungen nicht ein. Daraufhin wurde am 13. Oktober die Lufthansamaschine „Landshut“ entführt. Ein Kommando der mit der RAF kooperierenden „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ zwang die Piloten mit 91 Menschen zum Flug nach Mogadischu (Somalia), um die Forderungen der RAF durchzusetzen. Die Entführer erschossen den Flugkapitän. Die Geiselnahme wurde am 18. Oktober durch eine Kommandoaktion der GSG-9 beendet. 90 Geiseln wurden befreit, drei der vier Terroristen erschossen. Kurz darauf begingen RAF-Häftlinge in Stuttgart-Stammheim kollektiven Selbstmord, und der entführte Schleyer wurde am 19. Oktober ermordet aufgefunden.

Lebenszeichen trotz Selbstauflösung

Es folgten ab 1985 weitere zehn Morde, die der dritten RAF-Generation zugeschrieben werden. Am 20. April 1998 erklärte diese in einem Schreiben an Reuters in Köln ihre Selbstauflösung. Deren Mitglieder und Helfer sind seither untergetaucht. Doch schon seit 1999 scheinen die Untergetauchten jüngsten Erkenntnissen der Polizei zufolge zwecks Geldbeschaffung immer wieder aus der Deckung zu kommen. Bei Banküberfällen zwischen 1999 und 2016 wurden jetzt mit neuen forensischen Techniken DNA-Spuren von Burkhard Garweg, Daniela Klette und Ernst-Volker Staub ermittelt. Das sind drei der abgetauchten RAF-Generation. Landeskriminalamt Niedersachsen und Bundeskriminalamts haben Staub, Garweg und Klette nun auf die „Europe’s Most Wanted List“ gesetzt. Damit stehen seit Mai 2020 erstmals Deutsche auf der Fahndungliste der meistgesuchten Schwerverbrecher und Terroristen von Europol.

Untergetauchte brauchen Unterstützer. Untergetauchte Terroristen insbesondere. In den 1980er Jahren gewährte die Stasi zehn RAF-Terroristen Unterschlupf in der DDR, neue Identitäten inklusive. Den Feinden des Klassenfeindes half man gerne. Das kam nach der Wende heraus und 1990 konnten die Untergeschlüpften verhaftet werden. Die Stasi gibt es heute nicht mehr. Ob es unter den zahllosen Ex-Stasi-Leuten heute noch solche gibt, die aus Wehmut über das Ende des „besseren deutschen Staates“ und aus Hass auf die kapitalistische Bundesrepublik Netzwerke nutzen, um die antikapitalistischen Kämpfer der RAF zu schützen: Ausgeschlossen ist das nicht, kann aber über bloße Spekulation hinaus nicht erhärtet werden.

Vielleicht sollten die Strafverfolgungsbehörden die Fahndung noch einmal im Millieu der Antifa und der Schwarzen Blöcke intensivieren. Antikapitalistischer Kampf und Gewaltbereitschaft gegen Staatsorgane sind dort ja gelebtes Tagesgeschäft. Wie sagte es noch Ulrike Meinhof 1970: „Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden…“

Bildquelle:

  • RAF_Fahndungsplakat: t-online

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