PROF. DR. PATRICK PETERS
Auch nach einem Jahr der Pandemie fehlt es der Politik völlig am Kompass in der Krise. Das Vertrauen der Wirtschaft in die Politik ist nachhaltig beschädigt. Ein Hoffnungsschimmer: Die Medien verkündigen nicht mehr jeden Unsinn als alternativlos.
Kennen Sie noch den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Bill Murray spielt darin einen arroganten, egozentrischen und zynischen Wetteransager, der in einer Zeitschleife festsitzt und ein und denselben Tag immer wieder erlebt, bis er als geläuterter Mann sein Leben fortsetzen kann. So geht es derzeit vielen Menschen in Deutschland: Seit mehr als einem Jahr wachen sie Tag für Tag im Chaos auf und hören immer wieder die gleichen Nachrichten.
Kurzum: Seit dem wirklich schwarzen Freitag, 13. März 2020, tut sich rein gar nichts, was auf eine bessere Zeit hindeutet. Für mehr als zwölf Monate bestimmt das Corona-Virus schon privates Leben, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Jetzt ist es die dritte Welle, die noch gefährlicher sein soll als die ersten beiden. Es ist sogar schon von einer völlig neuen Pandemie die Rede. Bereitet die Politik in der ihr eigenen unfassbaren Machtlosigkeit die Deutschen damit bereits auf eine vierte, fünfte, sechste Welle vor? Und fällt dem politischen Spitzenpersonal auch nach einem Jahr wirklich nichts Besseres ein, als einen neuen Lockdown zu verkünden, Kindergarten- und Schulschließungen anzudrohen und zuerst „Ruhetage“ für die Wirtschaft vom 1. bis zum 5. April anzuordnen und diese dann keine 48 Stunden wieder zurückzunehmen?
Ist Politik, und besonders die Wirtschaftspolitik, zu einem Trial-and-Error-Schlachtfeld geworden, auf dem Dilettanten sich auf Kosten der Unternehmen und Millionen von Arbeitnehmern ihre Sporen verdienen können? Hat die deutschen Wirtschaft nichts Besseres und mehr Wertschätzung verdient als das, was gerade passiert? Die Wirtschaft hat schon lange mit der Regierung gebrochen und kann sich nicht mehr auf die Politik verlassen. Da hilft es auch nichts, dass der Rücknahme der Entscheidung nun von allen Seiten „Respekt“ entgegengebracht wird.
Immerhin scheint das Sturmlaufen der Wirtschaftsverbände gegen die Osterruhe etwas gebracht zu haben. Beim „Autogipfel“ am Dienstagabend hatte sich Bundeskanzlerin Merkel laut der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ deutliche Kritik vom Verband der Automobilindustrie (VDA) anhören müssen. „Plötzliche Betriebsstilllegungen sind für eine international vernetzte Wirtschaft nicht darstellbar“, erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller in der Runde.
Natürlich bleibt durch die allgemeine Lockdown-Verlängerung bis zunächst 18. April auch der erwartete Frühjahrs-Boost für die Wirtschaft aus. Die Konjunkturerholung wird damit nochmals um Wochen, wenn nicht Monate verschoben. Ob die aufgrund der politischen Entscheidungen ohnehin immer wieder nach unten korrigierten Wachstumsziele in diesem Jahr gehalten werden können, steht noch in den Sternen. Am Ende werden wieder Unternehmer und ihre Mitarbeiter allein die Eisen aus dem Feuer holen müssen. Auf die ordnende Hand der Politik in wirtschaftlichen Fragen können sie sich nicht mehr verlassen. Insofern ist der Aufschwung verschoben, aber nicht abgesagt. Das Vertrauen in die Ordnungspolitik als die Gesamtheit der politischen Maßnahmen, mit denen die rechtlichen Rahmenbedingungen der Wirtschaft zur Mehrung und Sicherung des Wohlstandes festgelegt oder verändert werden, ist indes nachhaltig beschädigt. Übrigens: Schon jetzt haben die Lockdowns mehr als 250 Milliarden Euro gekostet.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer geht derzeit indes von den Medien aus. Haben so gut wie alle Medien in Deutschland für den größten Teil der Corona-Krise umstands- und kritiklos alle Entscheidungen aus Berlin als die alleinseligmachende Wahrheit verkauft, dreht der Wind. Die „Rheinische Post“ aus Düsseldorf betitelt die neuesten Regelungen als „Merkels Verzweiflungstat“, „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt fragt „Was ist aus uns geworden? Sind wir ein Witz?“ und selbst beim „Spiegel“, dem Sturmgeschütz linksliberaler Meinungsmache und Verkündigungsbereitschaft, ist man ratlos: „Was ist nur mit den Deutschen los?“
Es wäre wünschenswert, wenn die Medien ihrer Aufgabe der kritischen Beobachtung und Begleitung gerade jetzt mehr denn je wieder nachkommen würden. Irgendwie muss „denen in Berlin“ deutlich gemacht werden, dass nun ein Punkt erreicht ist, an dem die Stimmung zu kippen droht. Das ist bislang über die verlängerten Arme des Bundespresseamts in den Redaktionsstuben von Presse, Funk und Fernsehen erfolgreich kaschiert worden. Diese Haltung ändert sich jetzt, sodass endlich die aus den hanebüchenen Regelungen entstehenden aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Belastungen wirklich überall Gehör finden. Das Märchen von den bösen Unternehmen, die Corona zum Trotz auf dem Rücken alter und schwacher Menschen gewissenlos ihren Geschäften nachgehen wollen, endet jetzt. Es geht um alle und alles.
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- Industrie_Halle_Produktion: dpa