Vielleicht sollten wir anfangen, die Parameter für Intellektualität neu zu justieren

von KLAUS KELLE

Der „Focus“ hat es in Deutschland eingeführt, wenn ich mich recht erinnere. Listen über „Die besten Ärzte“ und „Die besten Rechtsanwälte“ in Deutschland. Liest man immer mit Interesse, wenngleich ich solchen Listen nie wirklich traue. Wer hat schon alle diese Ausgezeichneten persönlich kennengelernt und kann sich ein echtes Urteil erlauben, auf das sich der geneigte Leser dann auch verlassen kann?

Nachdem das absolut lesenswerte Magazin „Cicero“ im Dezember die „500 wichtigsten Intellektuellen Deutschlands“ aufreihte, stieß ich heute Morgen im Supermarkt auf eine große Regionalzeitung, die sich sicher zufällig des gleichen Themas angenommen hat Das inspirierte mich spontan zu dem Gedanken: Wer entscheidet eigentlich, was in einem Land als Intellektueller gilt? Und was sind die Parameter für eine solche Rangfolge? (an dieser Stelle stand zunächst „Ranking“, aber aus Rücksichtnahme auf unsere Leser, die Anglizismen nicht mögen…)

Als der gewählte amerikanische Präsident Donald Trump zum ersten Mal mit Vorwürfen konfrontiert wurde, Russland habe Hacker in Marsch gesetzt, um die US-Wahlen zu manipulieren, reagierte der neue Mann an der Spitze der Weltmacht ruppig. Die Experten der Geheimdienste seien ja wohl die gleichen, die auch behauptet hätten, im Irak gäbe es Massenvernichtungswaffen. Peng, das saß! Aber die Frage ist schon berechtigt, warum Menschen, die politische Entwicklungen immer wieder erbarmungswürdig falsch einschätzen, in diesem und anderen Ländern als Intellektuelle gelten?

Wer von den Sinns und Hambermas‘ und Handkes und Schwarzers hat denn – bei allem Respekt, sicher kluge Leute – die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen dieser Zeit auch nur im Ansatz kommen sehen? Welcher dieser Intellektuellen hat denn die gravierenden Umwälzungen vorhergesehen und auch nicht erst danach seine und ihre damaligen Vorhersehungen nachträglich erwähnt? Wer von denen hat den rasanten Aufstieg von – nennen wir sie heute mal so, weil jeder dann weiß, was gemeint werden soll – rechtspopulistischen Parteien wie AfD, FN und FPÖ vorhergesehen? Wie viele dieser Intellektuellen haben frühzeitig bemerkt, was sich verändert in unseren Gesellschaften? Und Alarm geschlagen? Dass viele Millionen Bürger – zu deutsch – die Schnauze voll haben, die etablierte Politik rundheraus ablehnen, „das System“ nicht mehr wollen. Und Donald Trump…welcher unserer Intellektuellen hatte den denn als neuen US-Präsidenten auf dem Schirm, bevor er es plötzlich wurde?

Vielleicht sollten wir anfangen, die Parameter für Intellektualität neu zu justieren. Intellektueller ist ja nicht nur derjenige, der das von sich behauptet und dem ihre vergleichsweise überschaubaren Milieus in Medien, Politik und am Buffett von Vernissagen dafür Beifall klatschen…

Bildquelle:

  • Eliten_Intellektuelle_RP: kelleCOM

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.