Unser Parteiensystem ist krank: Es geht nur um Macht, Geld und den passenden Sündenbock

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Dem Morgen starke Wurzeln geben“ – das steht auf einer der zahlreichen aktuellen „Wandzeitungen“, die sich Ortunionen der CDU überall im Lande auf dem Portal ihrer Bundespartei bestellen können. Und „Unterstützen Sie unser Engagement“ steht auch noch drauf. Da muss man einen Moment nachdenken, denn müsste es nicht eigentlich heißen: „Engagieren Sie sich für unsere gemeinsame Sache!“ Aber wissen die braven und treuen Mitglieder in all den kleinen Orten im Land überhaupt noch, was die gemeinsame Sache der Union ist, wenn sie am Wochenende mit dem Hund zum Schaukasten schlendern und dort mit Tesafilm diese Art komplett belangloser Plakate aufhängen? Was ist das denn überhaupt noch, die CDU? Bis etwa 2010 war das einfach zu beantworten, doch jetzt gibt es die Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls nicht mehr. Und glauben Sie mir, ich leide wirklich darunter. Aber ich bin kein Träumer, Frau Merkel, ihr Girl’s Camp im Kanzleramt und all die Dauerklatscher auf Parteitagen haben ganze Arbeit geleistet. Es ist vorbei.

Die CDU ist keine Wertegemeinschaft mehr, kein Kampfbündnis von Gleichgesinnten. Die CDU ist eine große und mächtige Partei, die für nichts mehr steht. Glauben Sie nicht? Lesen Sie mal bei Google nach, wie die beiden vergangenen Koalitionsverhandlungen zur Bildung großer Regierungskoalitionen im Bund verlaufen sind. Die CDU hat alles, wirklich kompletten linken Nonsens mitgemacht, und es gab nur ein einziges Ziel, das die Rote Linie markierte: Angela Merkel muss wieder Bundeskanzlerin werden. Alles andere könnt Ihr haben, macht, was Ihr wollt.

Abgeordneter im Bundestag ist ein schöner Job, und ich bin weit davon entfernt, Leute, die sich das antun, zu verdammen oder für unfähige Raffkes zu halten. Klar gibt es die auch, aber solche gibt es in jedem Betrieb und in jedem Verein. Aber es gibt auch die Fleißigen, die Anständigen, die hoffen, irgendwie noch ihre Wähler vertreten zu können im Raumschiff Berlin. Ich kenne einige davon aus ganz unterschiedlichen Parteien, und ich habe großen Respekt vor dem, was sie leisten.

Aber es gibt eben auch die Raffkes, von denen wir gerade einige vorgeführt bekommen haben. Es gibt die, die alles mitnehmen, was aufs Konto passt. „Beutegemeinschaft“ nennt man die in der AfD und so eine Beutegemeinschaft gibt es in allen anderen staatstragenden Parteien auch. Bei den Sozis, den Grünen, den Linken und Liberalen und natürlich auch in CDU und CSU. Denken Sie an die Atomkraftgegner von den Grünen, die auskömmliche fett bezahlte Jobs bei Stromkonzernen und deren Lobbyverbänden erobert haben. Denken Sie an einen deutschen Bundeskanzler, der aus dem Amt ausscheidet und übergangslos bei einer anderen Macht für viel Geld zum Cheflobbyisten anheuert. Oder jüngst ein Abgeordneter, der zu einem Wirtschaftsverband wechselt und eigentlich schon im März sein Mandat hätte aufgeben können, aber noch bis Ende April bleibt. Einfach so, obwohl im Ostermonat in der Hauptstadt nicht mehr allzuviel zu tun wäre. Aber so eine fünfstellige Apanage schnell noch mitnehmen – wer würde da nicht schwach? Und es bezahlen ja andere.

Das ganze Parteiensystem ist so pervers, dass ich Ihnen noch schnell erzählen möchte, was mir am Freitagmorgen aus Berliner CDU-Kreisen erzählt wurde. Und das lautet so: Durch die Masken-Korruption einiger einzelner Abgeordneter habe man für Sonntag eine gute Erklärung für ein schlechtes Abschneiden der CDU. Dann könne man mit dem Finger auf die drei jetzt zurückgetretenen Bundestagsabgeordneten zeigen, die schuldig an der Schlappe seien. Gäbe es die nicht, müsste man den Bürgern wohlmöglich die unterirdische Performance von Frau Merkel in der Krise erklären oder Fragen beantworten wie, was Herr Spahn eigentlich beruflich macht und weshalb in Israel bereits 60 Prozent der Bevölkerung geimpft sind und in Deutschland nur fünf Prozent, wo der Impfstoff ja sogar in Deutschland entdeckt und zuerst produziert wurde. Dieses Desaster wäre sicher das Thema in der Elefantenrunde bei den Grudversorgungsanstalten geworden. Aber zum Glück haben wir ja drei Abgeordnete, denen wir alles in die Schuhe schieben können, um dann ungerührt weiterzumachen…

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Passen Sie bloß auf sich auf!

Ihr Klaus Kelle

 

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.