Und? Heute schon gelogen?

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Liebe Leserinnen und Leser,

ich bin gestern drei Mal angelogen worden, also drei Mal, wo ich es bemerkt habe. Aber wahrscheinlich war da alles, an diesem Samstag war nicht viel los in meinem Leben.

Ich meine, zu Notlügen hat jeder schon mal gegriffen, oder?

Horst Teltschik war einst der engste Berater des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl, später Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Ich hatte die Freude, ihn einmal bei einem Vortrag live zu erleben und er eröffnete seine Rede mit dem Hinweis auf die „drei größten Lügen in der Geschichte der Menschheit“, die da lauten:

„Ich habe gestern überwiesen, die Scheidung läuft, und ich werde mich kurz fassen…“

Da war die Stimmung im Saal gleich mal heiter und gelöst.

Nein, es gibt so diese kleinen Allerweltslügen, wenn man etwas vergessen hat zum Beispiel, das man schnell nachholen kann. „Papa, hast Du dir Kinokarten reserviert?“ und sowas. Ich glaube, die meisten Lügen sind absolut harmloser Natur. Und so war das übrigens auch gestern bei mir. Nichts Großes, nichts Schlimmes, sicher keine böse Absicht. So eine kleine Lüge kann das Leben auch leichter machen, etwas glattbügeln im zwischenmenschlichen Bereich.

Aber selbst in der Bibel, der Heiligen Schrift der Christenheit, ist im achten Gebot festgehalten, dass wir nicht „falsch Zeugnis ablegen sollen“ gegenüber unseren Nächsten. Und die Bibel ist ein wichtiges Buch, und die Zehn Gebote sind sozusagen die Grundregeln für ein erfülltes Leben. Aber – wie immer im Leben – ist es wichtig, sich das ganz genau anzuschauen, denn im Alten Testament finden sich durchaus Hinweise auf harmlose Lügen, die als „List“ durchgehen können. Das achte Gebot nämlich bezieht sich nicht auf den Alltag des Christenmenschen, sondern ganz konkret auf eine Gerichtsverhandlung, bei der die Beteiligten angehalten sind, die Wahrheit zu sagen. Ob auf den Steintafeln, die Mose vom Berg Sinai herunterschleppte, meine vergessenen Kinokarten und meine folgende Notlüge gemeint waren, das wage ich zu bezweifeln.

Nein, lügen ist nicht schön, aber auch nicht unvermeidbar, Ja, ja, werden jetzt viele von Ihnen denken, der Kelle ist ja Journalist, der versteht was davon, sich in seinen Artikeln die Wahrheit hinzubiegen. Und die lügen doch alle, die Medien. Und die Politiker. Und – wie ich letztens mal sah – auch zum Beispiel Schüler, die sich vor der Klassenarbeit alles Wichtige mit Kuli auf den Unterarm kritzeln…so wie wir vor 50 Jahren. Und dann im Klassenraum die Lehrerin unschuldig anblinzeln, obwohl die natürlich genau weiß, was läuft in der 9 b.

Wann ist eine Lüge also dramatisch und verdammenswert? Und wann ist sie banal und lässlich?

Und ab wann kann man überhaupt lügen? Kleine Kinder können das nämlich noch gar nicht. Sie versuchen es irgendwann, und wenn sie sehen, dass sie damit durchkommen, dann machen sie es halt fortan immer wieder.

Und wenn Sie Besuch zu Hause haben, und der oder die Besucher durch eine Ungeschicklichkeit ein Glas Rotwein über das weiße Stoff-Sofa in ihrem Wohnzimmer verschütten, dann sagen sie in der Regel: Ist nicht so schlimm, das können wir rauswaschen. Aber das ist eine Lüge. Wie die Bemerkung über das neue Kleid der Gattin aus der Kollektion „Lambrecht“ und Sie sagen: Schatz, das steht Dir aber gut. Obwohl Sie dabei denken: Schmeiß‘ den Müllsack endlich weg!

Sehen Sie, lügen ist nicht immer etwas Schlimmes. Es kann harmlos sein, es kann dazu beitragen, eine Situation zu entschärfen, es kann eine nette Geste sein und so vieles Positives.

Also, meine ganz persönliche Sicht: Man sollte es so weit wie möglich vermeiden, zu lügen. Oft sind Lügen auch völlig überflüssig, also weg damit!

Von Politikern, Medien und Geistlichen will ich nicht angelogen werden, doch da ballt sich die Unwahrheit wie kaum woanders. Und im engen Kreis meiner Freunde und absolut und ohne Abstriche im Kreis der Familie – da ist die Lüge absolutes No-Go. Wenn Großeltern, Eltern, Paare und Kinder nicht in der Lage sind, miteinander immer ehrlich zu sein, dann ist das einfach nur krank. Und sowas zerstört mehr als ein Politiker, der sagt, die Regierung habe alles unter Kontrolle. Da weiß man im gleichen Augenblick, dass das gelogen ist. Aber unter Freunden und Familie? Nein, da sollte man wirklich niemals lügen.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen

Ihr Klaus Kelle

 

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.