Ukraine, Georgien, Moldau – Putins Plan ist offensichtlich

Proeuropäische Demonstration vor dem georgischen Parlament in Tiflis

von KLAUS KELLE

TIFLIS – Tausende Menschen haben gestern Abend vor dem georgischen Parlamentsgebäude in Tiflis demonstriert, um ihrem Unmut über die Absage der georgischen Führung an Beitrittsgespräche mit der EU Ausdruck zu verleihen.

Starke Polizeieinheiten riegelten das Gebäude in der Nacht ab. Die Uniformierten setzten Wasserwerfer, Pfefferspray und Gummigeschosse gegen die friedliche Menge ein. Es gab mehrere Verletzte und Festnahmen.

Staatspräsidentin Salome Surabischwili hatte sich unter die Demonstranten gemischt und forderte eine Wiederholung der Parlamentswahlen, bei der es offenkundig zahlreiche Fälschungen gegeben hatte. Offiziell ist dennoch ein Sieg der prorussischen Regierungspartei „Georgischer Traum“ deklariert worden.

Am Nachmittag hatte der nationalkonservative Ministerpräsident Irakli Kobachidse den EU-Beitrittsprozess offiziell für gestoppt erklärt. Vor Ende 2028 werde Georgien nicht mit Brüssel über einen Beitritt verhandeln und bis dahin auch keine Haushaltszuschüsse der EU annehmen. Er wertete Kritik der EU am zunehmend autoritären Kurs des Georgischen Traums als unangemessenen Druck auf sein Land.

Die einstige Sowjetrepublik Georgien hatte im Dezember 2023 gemeinsam mit der Ukraine und der Republik Moldau den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Aber schon davor waren Maßnahmen hybrider Kriegsführung seitens Russland immer stärker geworden. Ganz offenkundig läuft eine von Moskau orchestrierte Aktion, die Annäherung Georgiens und Moldaus an die EU zu stoppen.

„Heute hat diese nicht existierende und illegitime Regierung ihrem eigenen Volk, ihrer eigenen Vergangenheit und ihrer eigenen Zukunft nicht den Frieden, sondern den Krieg erklärt“, sagte die pro-europäische Präsidentin. Dieser Krieg richte sich „gegen unsere Zukunft, die Zukunft unserer Gesellschaft und die Zukunft unseres Landes“. Sie sehe in diesem Weg weder georgische Staatlichkeit noch Unabhängigkeit – und „keine Zukunft außer in Russland“, so Surabischwili.

Offiziellen Angaben zufolge leben noch etwas 150.000 russische Staatsbürger in Georgien – knapp 4 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Im Kaukasuskrieg 2008 hatte Russland mit Soldaten die international nicht anerkannten Republiken Südossetien und Abchasien erst destabilisiert und dann besetzt. So leben in Südossetien nur wenig mehr als 50.000 Einwohner, die sich seit dem russischen Einmarsch „Republik Südossetien“ nennen, international aber nur von Russland, Nicaragua, Venezuela, Nauru und Syrien anerkennt worden sind.

Das Kreml-Drehbuch ist dabei vergleichbar mit dem russischen Vorgehen gegen die Ukraine.

Auch dort hatte man Donbass und Luhansk mit Einflussagenten infiltriert und die vorwiegend russischstämmige Bevölkerung gegen die Zentralregierung in Kiew aufgewiegelt und dann bewaffnet.

Das gleiche Muster des russischen Expansionsplanes wird auch zunehmend in der Republik Moldau erkennbar.

Historisch ab 1812 Teil des russischen Kaiserreichs, nach dem Ersten Weltkrieg zum großen Teil bei Rumänien und ab 1940 Mitglied der Sowjetunion.

Auch in Moldau haben die vorsätzlich geschürten Spannungen zuletzt zugenommen. Auch in Moldau sind russische Soldaten stationiert in Transnistrien, das zwar völkerrechtlich zu Moldau gehört, sich aber für unabhängig erklärt hat und seither finanziell und militärisch von Russland ausgehalten wird. Kein einziger Staat auf der Welt hat Transnistrien bisher als eigene Republik anerkannt.

Dennoch spielt Russland sein altbekanntes Spiel

So stellte die Polizei in der Hauptstadt Chişinău jüngst jede Menge Propagandamaterial aus Russland sicher. Darin wurde behauptet, der Beitritt zur EU werde eine Massenflut von Migranten nach Moldau bringen und außerdem werde Moldau in einen Krieg mit der Atommacht Russland hineingezogen. Sichergestellt wurden auch zahlreiche Geldkoffer aus Russland mit mehr als einer Million US-Dollar darin.

Vor einigen Monaten hatte sich eine Journalistin namens Mariuta Nistor mit falscher Identität in ein pro-russisches Netzwerk in Moldau eingeschlichen, dem mindestens 130.000 Bürger angehören. Strippenzieher ist ein Mann namens Ilan Shor, der heute in Russland lebt, da ihm in Moldau 15 Jahre Haft wegen Betrugs in einer Größenordnung von mehreren Hundert Millionen Euro drohen. Aber das russische Netzwerk in Moldau läuft dennoch weiter wie geschmiert…

Bildquelle:

  • Georgien_Proteste: depositphotos

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.