KABUL – Die Situation in der afghanischen Hauptstadt ist in diesen Stunden dramatisch. Nachdem bekannt geworden ist, dass sich Präsident Aschraf Ghani (72) heute nach Tadschikistan abgesetzt und die Amtsgeschäfte an seinen Verteidigungsminister Bismillah Mohammadi übergeben hat, konzentrieren sich jetzt alle Bemühungen auf die Evakuierung der deutschen Botschaftsangehörigen und einiger weiterer Deutsche. Eine Gruppe von etwa 20 Personen sei unter dem Schutz von Bundespolizisten zum Flughafen Kabul gebracht worden.
Kämpfer der islamischen Taliban sind inzwischen in den afghanische Hauptstadt eingedrungen. Fast das ganze Land ist nun wenige Tage nach dem Abzug der westlichen Streitkräfte in der Hand der Terrororganisation. Unsere Redaktion steht in direktem Telefonkontakt mit einerafghanischstämmigen Familie aus Niedersachsen, die vergangene Woche zu einer Beerdigung im engsten Familienkreis nach Afghanistan geflogen ist. Nun wissen Sie nicht, ob sie morgen herauskommen, denn bisher hatten sie keinen Kontakt mit der deutschen Botschaft. Es handelt sich um ein Ehepaar mit Sohn und Stieftochter, die in Kabul festsitzen. Von ihnen haben wir auch erfahren, dass die Taliban offenbar die Gefängnisse in der Stadt für alle dort einsitzenden Häftinge geöffnet haben.
Wir haben inzwischen Kontakt mit einem Bundestagsabgeordneten aufgenommen, der sich bemüht, die Famiie dort in direkten Kontakt mit dem deutschen Außenministerium zu bringen. Über den weiteren Verauf der Ereignisse informieren wir Sie laufend.
Die Taliban haben in einer Erklärung am Nachmittag mitgeteilt, dass sie nicht vorhätten, die Stadt militärisch einzunehmen, sondern über eine Übergangsregierung zu verhandeln. Unsere Kontaktpersonen vor Ort haben uns informiert, dass Vertreter der Taliban inzwischen zu ersten Gesprächen im Präsidentenpalast eingetroffen seien.