Tausende demonstrieren auf Mallorca gegen den Sauftourismus: «Man hört nur noch Deutsch»

Den Mallorquinern reicht es: Erstmals sind auf der spanischen Urlaubsinsel Tausende auf die Straße gegangen, um gegen die Auswüchse des Massentourismus zu protestieren. Foto: Oliver Brenneisen

Maria ist schon längst der Kragen geplatzt. «Es gibt inzwischen zu viele Menschen, zu viel Müll und zu wenig gesunden Menschenverstand – seitens der Besucher, aber auch der Geschäfte, die vom Tourismus profitieren», schimpft die Rentnerin am Rande des Protestes in der Insel-Hauptstadt Palma.

Nach Medienschätzungen waren es mehr als 3000 Menschen, die von der Plaça d’Espanya im Zentrum Palmas bis zum Regionalparlament der Balearen marschierten. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie «Ohne Beschränkungen gibt es keine Zukunft!». Diese Worte skandierten die Menschen auch immer wieder. Zur Protestaktion unter dem Motto «So weit ist es gekommen! Stoppt den Massentourismus!» hatten mehr als 50 Verbände und Institutionen aufgerufen, darunter die Naturschutzverbände GOB und Terraferida.

Seit 2012 erleben Mallorca und die anderen Baleareninseln Ibiza, Menorca und Formentera einen Besucherrekord nach dem anderen. Dieses Jahr gab es zwischen Januar und Juli 7,9 Millionen auswärtige Besucher – 7,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Kassen klingeln lauter denn je. Aber für Maria, die mit ihrer Freundin Antonia zur Demo kam, ist Geld nicht alles. Die Inseln seien am Limit angelangt, meint sie im Gespräch mit einer Reporterin der Zeitung «El País». Man müsse Obergrenzen setzen, aber auch «erziehen, kontrollieren und bestrafen», fordern die beiden Frauen.

Nicht nur der älteren Generation sind sie ein Graus: die überfüllten Strände, die vor allem wegen der vielen Mietwagen immer häufiger verstopften Straßen, die zunehmenden Probleme bei der Müllentsorgung und der Wasserversorgung – im vorigen Jahr wurden sogar die Strandduschen abgedreht. Auch der «Sauftourismus» und das schlechte Benehmen vor allem einiger Deutscher und Briten ist vielen zuwider.

Junge Frauen wie Carla und Carmen schimpfen ebenso laut wie die Älteren. Man könne auf den Straßen kaum noch gehen und höre «nur noch Deutsch oder Englisch», klagen die Frauen aus Palma. Für Carmen ist es so, als würden die Touristen «Mallorca vertilgen». Es gehe um die Zukunft Zehntausender. Vor allem junge Menschen könnten wegen des Booms bei der privaten Ferienvermietung keine bezahlbare Wohnung mehr finden. Mindestens 3000 Wohnungen werden nach Schätzungen über Plattformen wie Airbnb oder Wimdu illegal an Touristen vermietet.

Die Verantwortlichen sind sich der Probleme bewusst. Die linke Regionalregierung beschloss eine Verdoppelung der Touristenabgabe ab 2018. Zudem trat jüngst ein Gesetz in Kraft, das unter anderem die Zahl der Übernachtungsplätze auf gut 623 000 beschränkt. Vor allem bei der Einschränkung der privaten Ferienvermietung müsse die Regierung aber «noch mutiger» sein, fordert GOB-Sprecherin Margalida Ramis. «Wir müssen die Wirtschaft der Inseln diversifizieren und dürfen nicht allein vom Tourismus abhängen.»

«Ich verstehe die Sorgen der Menschen», sagt Tourismusminister Biel Barceló. Auch einige Touristen haben Verständnis. Der Protest sei «normal», meint die Deutsche Julia zu «El País». «Es muss schwer sein, mit so vielen Touristen zusammenzuleben.» Peter Ripken aus Frankfurt kam von seinem Urlaubsort Peguera nach Palma, um sich die Demo anzuschauen – und lief zusammen mit seiner Frau sogar mit. Es sei schon ein «komisches Gefühl, wenn gegen einen demonstriert wird», wurde er von der «Mallorca Zeitung» zitiert. Aber auch er sehe «die vollen Strände», «die vollen Busse».

Im Sommer hatte es auf den Balearen und auch an anderen beliebten Reisezielen Spaniens wie etwa Barcelona zum Teil gewalttätige Proteste gegen den Massentourismus gegeben. Bürgerinitiativen und linke Organisationen hatten Anfang August auf Mallorca vor dem Tourismusministerium der Balearen sowie vor Palmas Jachthafen demonstriert. Hunderte Mietwagen wurden mit Protest-Aufklebern versehen. In Palma tauchten nun erneut Protest-Graffiti und -Plakate mit Aufschriften wie «Tourism kills the city» (Tourismus tötet die Stadt), «Stop Airbnb» oder «Tourist go home!» auf.

Am Ballermann machen Anwohner ihrem Ärger gegen den «Sauftourismus» Luft, indem sie an Fenster und Balkone schwarze Fahnen hängen. Hier ist der Unmut nach einem Eklat mit Neonazis, die im Juni im Kultlokal «Bierkönig» «Ausländer raus!» riefen, Frauen belästigten und einen dunkelhäutigen Mann anpöbelten, besonders groß. Zumal es immer wieder Schlägereien unter Deutschen sowie zwischen Deutschen und afrikanischen Straßenhändlern gibt.

Einigkeit herrscht auf der Insel aber nicht. Der Verband der Hoteliers von Mallorca (FEHM) kritisiert die Demonstration gegen den Massentourismus sehr scharf: Inmaculada Benito bezeichnet die Aktion als «Angriff auf die Wirtschaft der Balearen». Auch diese Position kann man verstehen. Der Tourismus sorgte zuletzt für knapp 45 Prozent des regionalen Bruttoinlandsprodukts. Im vorigen Jahr gaben die ausländischen Besucher auf den Inseln mit gut 13 Milliarden Euro rund 10,5 Prozent mehr aus als 2015.

Auch die Demonstrantin Laura weiß, wie wichtig der Tourismus für ihre Insel ist. Anders als Benito fürchtet die Hotel-Rezeptionistin aber, dass man mit den immer größeren Touri-Massen am Ende das Huhn tötet, das den Mallorquinern goldene Eier legt. «Es ist doch schon so weit gekommen, dass sich die Gäste beschweren. Wir haben Ende September und sind noch zu 95 Prozent ausgebucht», sagte sie der «Mallorca Zeitung».

Bildquelle:

  • Demo gegen Massentourismus: dpa

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