Syrien-Konferenz: Deutschland will Milliardenbetrag zusagen

Die 63-jährige Syrerin Samiha Seri hält in Idlib eines ihrer 16 verwaisten Enkelkinder auf dem Arm. Hinter ihr an der Wand ein Bild mit Fotos von dreien ihrer Söhne. Foto: Anas Alkharboutli/dpa
Deutschland will den Opfern des Syrienkrieges zusätzliche Hilfen in Milliardenhöhe versprechen. Bei der Brüsseler Syrien-Konferenz im vergangenen Jahr habe die Bundesregierung 1,6 Milliarden Euro zugesagt, hieß es am Montag aus dem Auswärtigen Amt.Für dieses Jahr sei «eine Zusage substanzieller Mittel in vergleichbarer Höhe» geplant. Zunächst hatte die «Neue Osnabrücker Zeitung» darüber berichtet.

Vertreter von mehr als 60 Staaten und Organisationen wollen an diesem Dienstag (13.00 Uhr) bei der Brüsseler Geberkonferenz neue Hilfen für die Leidtragenden des Syrien-Konflikts auf den Weg bringen. Die bei der Online-Veranstaltung gesammelten Gelder sind unter anderem für Nahrungsmittel, medizinische Hilfen und Schulbildung für Kinder vorgesehen. Sie sollen über Hilfsorganisationen direkt in das Bürgerkriegsland fließen oder Ländern in der Region zugute kommen, die viele Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen haben.

Der Konflikt in Syrien dauert mittlerweile seit rund zehn Jahren an. Zwar ist die Gewalt zuletzt zurückgegangen, doch alle Gespräche über eine politische Lösung stehen derzeit still. Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad beherrscht mittlerweile wieder den größten Teil des Landes, darunter die wichtigsten Städte. Daneben gibt es noch Gebiete unter Kontrolle verschiedener Rebellengruppen sowie der Kurdenmiliz YPG.

Nach UN-Angaben leiden 12,4 Millionen Menschen und damit fast 60 Prozent der Bevölkerung unter Hunger. Die Zahl der Menschen, die ohne Ernährungshilfe nicht überleben können, verdoppelte sich innerhalb eines Jahres. Der Assad-Regierung fehlt Geld, um den Wiederaufbau selbst zu bezahlen.

Vertreter von Hilfsorganisationen fordern deswegen eine Wende bei der Syrienhilfe. Die humanitäre Lage in dem Bürgerkriegsland sei eine Katastrophe, sagte Caritas-Präsident Peter Neher zum Start der Konferenz der Deutschen Presse-Agentur. «Wir müssen gezielte Wiederaufbaumaßnahmen zulassen, auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes», sagte er.

Die EU lehnt dies bislang allerdings ab, weil sie die Herrschaft von Baschar al-Asssad nicht unterstützen will. Deutschland und andere Staaten sind dazu nur bereit, wenn es bei einer politischen Lösung greifbare Fortschritte gibt.

Neher erklärte, Syriens Infrastruktur sei massiv zerstört. Rund 2,5 Millionen Kinder gingen nicht zur Schule. «Wir wollen den Menschen helfen, dass sie wieder ein Dach über dem Kopf haben», sagte der Präsident der katholischen Hilfsorganisation. «Wir wollen Kindergärten, Schulen und Gesundheitseinrichtungen wiederaufbauen.»

Die Realität vor Ort beiße sich mit der Ächtung des Regimes, sagte er. Dieses nehme die eigene Bevölkerung in Geiselhaft: «Bei dem Regime gibt es nichts schönzureden.» Assad sitze jedoch fest im Sattel. «Man muss zumindest über Strategien nachdenken, wie man der Bevölkerung helfen kann, ohne das Regime zu stützen.» Gezielte Wiederaufbaumaßnahmen könnten das Leben der Menschen verbessern, «ohne dass man das als Freibrief für das Regime sehen kann».

Bei der Konferenz im vergangenen Jahr waren nach Zahlen der EU für 2020 insgesamt rund 4,4 Milliarden Euro und für die Zeit danach rund 2 Milliarden Euro an Spenden zugesagt worden. Nach jüngsten Zahl wurden für 2020 am Ende sogar 6,8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt und damit etwa 54 Prozent mehr als zunächst angekündigt. Allein aus Deutschland kamen nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt am Ende 1,75 Milliarden Euro.

«Die Bundesregierung hat bei der Hilfe für Syrien und die vom Konflikt betroffenen Nachbarländern in den letzten Jahren stets mehr Unterstützung geleistet als zunächst bei der Brüsseler Syrien-Konferenz zugesagt», hieß es.

Der Syrien-Koordinator der Welthungerhilfe, Konstantin Witschel, forderte von der Geberkonferenz am Dienstag «möglichst hohen Zusagen, die dann auch eingehalten werden müssen». Zugleich rief Witschel dazu auf, Wege zu finden, dass die Menschen selbst für ihr Einkommen sorgen können. Heute seien viele zu 100 Prozent von humanitärer Hilfe abhängig. Das habe auch katastrophale psychologische Folgen. «Es muss darum gehen, ihnen eine Perspektive jenseits eines Lebens in einem Vertriebenenlager zu geben», sagte Witschel. Eine Generation von Kindern ohne Perspektive wachse heran. «Wir können nicht über Jahrzehnte riesige Flüchtlingscamps erhalten.»

Bildquelle:

  • Zehn Jahre Bürgerkrieg in Syrien: dpa

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