München/Berlin – Nach der dramatischen CSU-Pleite bei der Bundestagswahl streitet die Partei offen über die Zukunft von Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer.
Am Dienstag forderten immer mehr Landtagsabgeordnete, Orts- und Kreisverbände seinen Rücktritt, zugleich meldeten sich aber auch Unterstützer zu Wort. Seehofer selbst warf seinen parteiinternen Gegnern eine Debatte zur Unzeit vor und verwies auf den Parteitag Mitte November. Dort werde der Vorstand gewählt, und dies sei der richtige Ort, solche Debatten zu führen, sagte Seehofer in Berlin.
«Alles andere ist nicht hilfreich in dieser ungewöhnlich schwierigen Situation, die wir in Berlin zu bewältigen haben», argumentierte Seehofer. Nach dem enttäuschenden Ergebnis gehörten Fragen und Diskussionen zwar zur demokratischen Normalität, «aber mit dem richtigen Stil und am richtigen Platz: Parteitag».
Die CSU war bei der Bundestagswahl am Sonntag um 10,5 Punkte auf 38,8 Prozent abgestürzt – ein noch größerer Verlust als bei der CDU.
Rücktrittsforderungen gegen Seehofer kamen vor allem, aber nicht nur aus der fränkischen Heimat seines CSU-internen Widersachers, Finanzminister Markus Söder. Eine der ersten stammt vom Chef des CSU-Kreisverbands Nürnberg West, Jochen Kohler. Auf seiner Facebook-Seite schrieb Kohler: «Auch wenn Herr Seehofer selber gesagt hat, dass er „keine Sekunde“ an einen Rücktritt denke, wir tun dies! Für einen personellen Neuanfang!» Zuvor hatte bereits der mittelfränkische CSU-Ortsverband Großhabersdorf einen Rücktritt gefordert. «Horst Seehofer hat als Parteivorsitzender das historisch katastrophale Abschneiden der CSU bei der Bundestagswahl persönlich zu verantworten», erklärten die Ortsvorstände schon am Montag.
«Ich glaube nicht, dass es ohne personellen Neuanfang geht. Seehofers Strategie war nicht erfolgreich», sagte die Fürther Landtagsabgeordnete Petra Guttenberger den «Nürnberger Nachrichten» (Mittwoch). Guttenberger kündigte an, die Forderung auch bei der mit Spannung erwarteten Sitzung der CSU-Landtagsfraktion am Mittwoch zu vertreten. Als Nachfolger komme nur Söder in Frage: «Söder ist derjenige, der etwas durchsetzt. Wir sind mit ihm sehr gut gefahren.»
Aus Guttenbergers Sicht haben Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel nach dem langen Streit über die Flüchtlingspolitik «keine Sprachebene mehr. Das ist keine gute Basis». Wenn Seehofer die Obergrenze fordere, Merkel sie aber noch vor der Wahl ablehne, «dann müssen wir uns die Frage stellen, ob die andere Seite uns noch in entsprechender Wertigkeit wahrnimmt». Sie sehe bei der Schwesterpartei generell ein «Respektproblem» zur CSU, besonders bei Merkel gegenüber Seehofer.
Unterstützung erhielt Seehofer von Parteivize Ilse Aigner: «Wir haben ja von 2007 schon unsere Erfahrungen mit einer Palastrevolte, das Wahlergebnis von 2008 kennt aber auch jeder», sagte die Wirtschaftsministerin der Deutschen Presse-Agentur. Damals hatte die Partei Edmund Stoiber aus seinem Amt als Parteichef gedrängt, in der Folge verlor die CSU bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit.
«Wenn wir jetzt eine Personaldebatte entfachen, schwächen wir die Position der CSU in Berlin, dann werden wir auf Bundesebene weniger durchsetzen können», sagte Aigner. Die CSU sei thematisch und personell gut aufgestellt, um diese schwierige Phase zu überstehen. «Wir brauchen keine neuen Themen, alles steht schon im „Bayernplan“, und auch keine Personaldebatte. Ich halte davon gar nichts.»
Für die Fraktionssitzung rechnet Aigner nicht mit einer Revolte gegen Seehofer. «Wenn die Kritiker dort Auge in Auge mit ihm stehen, machen viele einen Rückzieher. Ich bin mir auch sicher, dass auch viele für ihn aufstehen werden, das werde ich auch tun.»
Auch der neue Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, wies alle Rücktrittsforderungen an Seehofer zurück. «Es gibt keine Personaldebatte in der CSU-Landesgruppe», sagte er in Berlin. Es gelte nun zuerst den Wählerauftrag nach der Bundestagswahl abzuarbeiten. «Und den werden wir mit Horst Seehofer abarbeiten.»
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- CSU-Chef Seehofer in Berlin: dpa