von PEER KÖRNER
Lüneburg – Von den Gegnern lange als Luftschloss kritisiert betrachtet ragt der Bau des New Yorker Stararchitekten Daniel Libeskind kühn gezackt in den Himmel über Lüneburg. Einen rechten Winkel sucht man an der silbern-metallischen Außenfassade des 37 Meter hohen Zentralgebäudes der Leuphana Universität zunächst vergeblich.
Auch wenn die meisten Fensteröffnungen vier und nicht fünf Ecken haben: Das gewohnte Rechteck findet sich auf den ersten Blick nur in Fensterscheiben. Wie der Bug eines Schiffes ragt das Seminarzentrum empor, das ganze Gebäude wirkt ein wenig wie ein Ufo, das am Rand der alten Salzstadt mit ihren vielen historischen Gebäuden gelandet ist.
Im Inneren ist es hell, die gewaltigen Fensterflächen lassen viel Licht ins Gebäude. «Dem Auge wird schon hier einiges geboten – verschiedene Linienführungen, verschiedene Materialien und verschiedene Höhen», sagt Leuphana-Projektleiterin Susanne Leinss im Foyer des Seminarzentrums. Links öffnet sich das Audimax mit rund 1100 Sitzplätzen, Lüneburg will es als Stadthalle mitnutzen. «Geradezu liegt das Forschungszentrum, dahinter kommt das Studierendenzentrum», sagt Leinss. «Laufend ändern sich Schritt für Schritt die Perspektiven – das ist das Tolle», schwärmt sie.
Libeskind (70) gilt als einer der einflussreichsten Architekten weltweit. Der 1946 im polnischen Lódz geborene Sohn jüdischer Eltern wanderte mit ihnen zunächst nach Israel und dann später als Teenager nach New York aus. Erst mit dem Zuschlag für den Bau des Jüdischen Museums in Berlin 1989 begann seine Karriere als Architekt. Weltweit setzte er mehr als 40 Projekte um, rund 50 sind derzeit in Arbeit. Sein Masterplan für Ground Zero in New York verhalf ihm 2003 zum endgültigen Durchbruch.
Seine ersten Ideen für Erweiterungsbauten auf dem Campus der Leuphana hat Libeskind vor fast zehn Jahren präsentiert. Wesentlich für seine Arbeit sei, dass Studenten mitplanten und die Entwürfe nicht im Elfenbeinturm entstünden, sagte er schon im Juni 2007 in Lüneburg, damals wurde er dort neben seiner eigentlichen Arbeit auch Professor für Architekturentwurf. Mit asymmetrischen Schwingen solle das Projekt die strenge Gebäudestruktur des einst von der Wehrmacht genutzten Kasernengeländes aufbrechen, hieß es damals.
Die militärische Architektur auf dem Campus stehe für ein autoritäres System, sagte Libeskind später. Schon die Achsenführung sei auf marschierende Menschen in einer diktatorisch-autokratischen Gesellschaft ausgerichtet. «Das Zentralgebäude ist das genaue Gegenteil», betonte er. «Das Gebäude steht für die Freiheit, Räume auf eine vollkommen neue, erfinderische Weise zu benutzen. Es steht für die Befreiung von der Vergangenheit.» Man könne nicht Architekt sein, wenn man nicht an die Zukunft und ihre Möglichkeiten glaubt, betont Libeskind bei der Eröffnung.
«Der Libeskind-Bau wird den Campus mit seinen nüchternen Backstein-Gebäuden aus den 30er Jahren mit seiner Größe, den kühnen Linien und der glänzenden Fassade neu prägen», sagt Leinss. Es sei in den vergangenen Jahren gelungen, aus einer Garnisonsstadt eine Universitätsstadt zu machen, betont Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD).
Im Forschungszentrum sind die Zimmer der Wissenschaftler untergebracht. Wie in den Räumen des Studierendenzentrums finden sich auch hier viele Schrägen, selbst die Heizkörper sind nach hinten geneigt. «Es ist etwas anderes, in einem solchen Raum zu sein, als in einem der üblichen Büros», sagt Leinss. «Gerade kann jeder», ergänzt Uni-Sprecher Henning Zühlsdorff.
Zühlsdorff hat es nicht einfach gehabt. Immer wieder hat das Projekt auch mit steigenden Baukosten für Schlagzeilen gesorgt. Den Großteil tragen der Bund und das Land, die EU sowie die Stadt und der Landkreis Lüneburg. Zunächst waren sie auf knapp 58 Millionen veranschlagt worden. Mit Blick auf letzte, noch vorhandene Risiken könnten sie am Ende die 100-Millionen-Marke knapp übersteigen, hat die Uni zuletzt mitgeteilt.
«Die Endabrechnung kommt im Herbst – frühestens», sagt Susanne Leinss. Die Landesregierung werde der Leuphana weiter tatkräftig zur Seite stehen, erklärt die niedersächsische Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Grüne) am Rande des Festaktes. Am Samstag konnte erstmal gefeiert werden.
Bildquelle:
- Libeskind-Bau in Lüneburg wird eröffnet: dpa