Sigmar Gabriels Abschiedsrede: Bloß nicht nochmal eine große Koalition!

Sigmar Gabriel hatte freiwillig auf Kanzlerkandidatur und Pareteivorsitz verzichtet. Foto: Kay Nietfeld

Berlin – Sigmar Gabriel hat sich in seiner Abschiedsrede als SPD-Chef klar gegen eine Fortsetzung der großen Koalition nach der Bundestagswahl im September ausgesprochen.

2013 habe er die Partei in ein Bündnis mit der Union geführt, «weil die SPD nicht zum Zuschauen und übrigens auch nicht zum Wohlfühlen in der Politik ist», sagte Gabriel vor mehr als 600 Parteitagsdelegierten in Berlin. «Jetzt wollen die Menschen einen neuen Aufbruch und was sie nicht wollen, ist die Fortsetzung der großen Koalition.»

Nur mit einem Wechsel zu Martin Schulz an der Parteispitze sei dieser Aufbruch glaubwürdig zu vollziehen. «Ich glaube, dass ich mit dieser Entscheidung und diesem Vorschlag der SPD am besten diene», sagte Gabriel. «Alle Vorsitzenden der SPD haben zuallererst für die Partei und nicht zuallererst für sich gearbeitet.»

Die SPD wählt heute bei einem Sonderparteitag Schulz zu ihrem neuen Vorsitzenden. Gabriel stand siebeneinhalb Jahre an der Spitze der ältesten deutschen Partei.

Ende Januar verzichtete der heutige Außenminister auf Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz zugunsten des populären früheren EU-Parlamentspräsidenten Schulz.  Seitdem hat die SPD in den Umfragen stark zugelegt und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union. Bei der Parteiveranstaltung in Berlin-Treptow soll Schulz auch offiziell als Kanzlerkandidat seiner Partei bestätigt werden.

Zum Parteitag werden rund 3500 Gäste erwartet, darunter 500 Journalisten. Mit Spannung wird erwartet, ob Schulz sechs Monate vor der Bundestagswahl inhaltlich neue Positionen der SPD festlegt. Bislang hat er sich lediglich mit der Forderung aus der Deckung gewagt, bei einem Wahlsieg gewisse «Fehler» bei den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 zu korrigieren. So will Schulz länger Arbeitslosengeld I auszahlen lassen, wenn sich Betroffene weiterbilden.

Die Sozialdemokraten hoffen, dass der Rummel um Schulz sich bei der Landtagswahl im Saarland am nächsten Sonntag (26. März) in Stimmen auszahlt. Dort regiert seit 18 Jahren die CDU. Ein rot-rotes Bündnis von SPD und Linkspartei an der Saar liegt Umfragen zufolge im Bereich des Möglichen.

Am Vorabend des Parteitags spielte der SPD-Hoffnungsträger die Frage nach dem zu erwartenden Ergebnis für ihn als nebensächlich herunter. «Die Prozente spielen ernsthaft keine Rolle», sagte er bei einem Rundgang durch die «Arena» in Berlin-Treptow. Schulz sagte, er sei demütig, bitte die Delegierten um einen «Vertrauensvorschuss» und wolle die breite Mehrheit der Partei hinter sich versammeln. Da müsse man bei der Abstimmung nicht über Nachkommastellen nachdenken. Den Nachkriegsrekord bei der Wahl eines SPD-Vorsitzenden hält Kurt Schumacher. Er bekam 1948 in Düsseldorf 99,71 Prozent.

Unterstützung erhielt der frühere EU-Parlamentspräsident auch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der Schulz als zuverlässig und Mann des offenen Wortes lobte. «Sowohl Martin Schulz als auch Angela Merkel haben Kanzlerqualitäten», sagte Juncker der «Bild am Sonntag».

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann rechnet nicht damit, dass nach der Wahl von Martin Schulz zum Parteivorsitzenden die Flügelkämpfe in der SPD wieder aufflammen. «Bei uns ist ein Teamgeist entstanden, der Berge versetzen kann. 12.000 neue Mitglieder bringen jede Menge frischen Wind und Zuversicht. Der Parteitag am Sonntag wird zeigen: Alle stehen hinter Martin Schulz», sagte Oppermann der «Nordwest-Zeitung».

Im jüngsten Sonntagstrend kommt Rot-Rot-Grün erneut auf eine knappe Mehrheit von 48 Prozent. Die SPD verliert in der Emnid-Umfrage im Auftrag der «Bild am Sonntag» zwar einen Punkt auf 32 Prozent. Dafür legen die Grünen um einen Punkt auf 8 Punkte zu. Die Linkspartei bleibt bei 8 Prozent.

Bildquelle:

  • Abschiedsrede: dpa

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