Sie hat „Neger“ gesagt: Der Sprachjakobinismus frisst seine Kinder

ARCHIV - Die Grünen sehen eine Schmutzkampagne gegen ihre Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Foto: Christian Mang/Reuters/Pool/dpa/Archivbild

von THOMAS PAULWITZ

BERLIN – Kanzlerkandidatin Annelena Baerbock hat „Neger“ gesagt. Das sorgte für so viel Wirbel, dass am Montag das Wort „Neger“ auf Platz 1 der Twitter-Trends hochschnellte – dicht gefolgt von dem Ausdruck „N-Wort“. Denn das Wort „Neger“ darf man nach links-grüner Logik weder schreiben noch aussprechen, selbst wenn man es – wie hier geschehen – nur zitiert.

Nichts anderes hatte Baerbock getan, als sie im Gespräch mit dem Zentralrat der Juden in der „Tachles Arena“ eine rührselige „schlimme Geschichte“ als Beleg für Rassismus erzählte. Ein Kind einer Bekannten („aus einem ganz persönlichen Vorfall“) habe sich in der Schule geweigert, ein Arbeitsblatt zu bearbeiten, „wo es eine Bildergeschichte gab, wo das Wort ‚Neger‘ drin vorkam, und der Sohn meiner Bekannten dazu gesagt hat: ‚Ich schreibe dazu keine Bildergeschichte.‘“ Daraufhin sei dem Kind gesagt worden, es störe den Schulfrieden.

Ein Körnchen Wahrheit mag in Baerbocks Geschichte sogar enthalten sein, denn im Wahlkreis ihres Kollegen Robert Habeck gab es tatsächlich einmal Wirbel um ein Arbeitsblatt zum Buchstaben „N“ mit einem klischeehaft abgebildeten dunkelhäutigen Kind.

Der Zensurversuch scheitert

Normalerweise wäre das alles nicht der Rede wert, wenn die Grünen nicht an ihrem eigenen Anspruch gescheitert wären. Der lautet, dass man bestimmte Wörter weder sprechen noch schreiben darf. „Neger“ gehört eben zu diesen Tabuwörtern. Das wurde den grünen Wahlkämpfern, die nach der Kanzlerschaft streben, offenbar bewusst, denn, wie die BILD-Zeitung berichtete: „Die Grünen wollten ein aufgezeichnetes Video-Interview ihrer Co-Chefin vor der Veröffentlichung um eine aus Parteisicht heikle Passage kürzen lassen.“

Mit einem anderen Wort: Zensur. Wie sehr das grüne Wortverbot bereits wirkt, zeigt sogar die BILD-Zeitung selbst, die sich schon gar nicht mehr traut, das Wort „Neger“ auszuschreiben: Baerbock „verwendet das Wort ‚N***r‘, anstatt von dem ‚N-Wort‘ zu sprechen, worauf die Grünen sonst größten Wert legen“, liest man da. Eine solche Selbstzensur der BILD-Kollegen mag freilich auch dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz geschuldet sein, das dafür sorgt, dass zum Beispiel auf Facebook Beiträge, die Wörter wie „Neger“ oder „Zigeuner“ enthalten, völlig unvermittelt wegen vermeintlicher Hassrede gelöscht werden können.

Baerbock in der Palmer-Ecke?

Besondere Brisanz bekommt die „Neger“-Affäre Baerbocks noch dadurch, dass die Kanzlerkandidatin ein Parteiausschlussverfahren gegen ein Mitglied eingeleitet hat, unter anderem, weil es das Wort „Negerschwanz“ zitiert hatte: den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Dieser hatte Anfang Mai bekundet: „Cancel Culture macht uns zu hörigen Sprechautomaten, mit jedem Wort am Abgrund. Ich will nicht in einem solchen Sprachjakobinat leben.“ Dieses Sprachjakobinat scheint nun seine Kinder zu fressen.

Nun beeilte sich Baerbock, auf Twitter festzustellen, dass es sich im Vergleich zu Palmer natürlich „um zwei verschiedene Dinge in unterschiedlichen Kontexten handelt.“ Deshalb mache sie den Vorgang öffentlich – mit der Folge, dass nun alle über Baerbock und das „N-Wort“ reden. Damit hat sie das Gegenteil des Gewollten erreicht: Ohne Baerbock wäre das Wort „Neger“ niemals so häufig öffentlich genannt worden. Da hilft es auch nichts, wenn ihre Anhänger allenthalben geradezu verzweifelt kommentieren, dass es bereits Rassismus sei, dieses Wort „zu reproduzieren“. Das alles erinnert den Monty-Python-Kenner doch sehr an die Szene in dem Film „Das Leben des Brian“, als eine Steinigung eines Beschuldigten, der „Jehova“ gesagt hat, völlig außer Kontrolle gerät.

Bildquelle:

  • Annalena Baerbock: dpa

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