Seit Wochen verzweifelte Proteste von Bauern in Berlin: Hören Sie davon in ARD und ZDF?

von MARTIN D. WIND

BERLIN – „Totschweigen“ nennt man das, was öffentlich-rechtliche Anstalten ARD und ZDF derzeit mit Landwirten machen. „Totschweigen“ ist nicht übertrieben. Denn sollte das, was Frau Bundesumweltminister, Frau Svenja Schulze, als „Insektenschutzgesetz“ durchpeitschen will, tatsächlich Gesetz werden, sehen die meisten Bauern keine wirtschaftliche Basis mehr, ihre Betriebe mit guter handwerklicher Praxis am Leben zu erhalten. Unter anderem deshalb sind Landwirte aus dem gesamten Bundesgebiet schon seit dem 26. Januar, bei Eiseskälte, bei Regen, Graupel und Schnee, bei Eis und Wind in Berlin auf der Straße.

Haben Sie von dieser bundesweiten, in Berlin fokussierten Dauerkundgebung in der „tagesschau“ und in „heute“ schon was gesehen oder gehört? Wurde in den „tagesthemen“ oder im „heutejournal“ berichtet? Nein. Das macht die Bauern „sauer“, die gerade erst von der Regierung als systemrelevant klassifiziert wurden, um während der Pandemie ihrer Arbeit nachgehen zu können. Sie sind davon überzeugt, die ÖR-Anstalten kommen ihrem Auftrag nicht nach. Und dabei ist dieses Insektenschutzgesetz nicht die einzige politische Entscheidung, die die deutsche Landwirtschaft zu erdrosseln droht. Die Lage scheint dramatisch, denn trotz der massiven Aktionen und Proteste seit Oktober 2019 vor allem von der von Maike Schulz-Broers initiierten Basisbewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV), ist die Politik noch immer hartleibig, während sie Dialogbereitschaft und Nachbesserungswillen simuliert.

Im Januar zog man deshalb erneut los, nachdem Julia Klöckner dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) in ihrer unnachahmlichen Art mitgeteilt hatte, dass sie mit den Bauern keine Probleme habe, denn vor der Türe ihres Ministeriums stünden diese ja nicht. Die Bauern würden vor den Zentrallagern der Handelsketten demonstrieren. Diese Einladung ließen sich viele Bauern nicht zweimal übermitteln. Geplant war, so Alf Schmidt, ein Schäfer aus Thüringen und Anmelder der Kundgebungen, eine Woche in Berlin auszuharren, das Gespräch mit Politikern zu suchen, und die Öffentlichkeit über die prekäre Situation der Landwirtschaft und die verheerenden Gesetzesvorhaben der Politik zu informieren. Vor allem wollte man seitens der Politik eine Gesetzgebung, die dem Lebensmittelhandel die unfaire Preisgestaltung gegenüber deutschen Produzenten unmöglich machen sollte. Doch dann kam alles ganz anders.

Beinahe handstreichartig brachte Schulze, ihr „Insektenschutzgesetz“ im Kabinett ein. Dort wurde es in der ursprünglichen Planung nicht angenommen, sondern erstmal in Teilen um drei Jahre verzögert. Alf Schmidt ist sicher, dass das rein taktische Spielchen seien, denn in drei Jahren stünden keine Wahlen an. Bis dahin setze die Politik auf „Vergessen“. Die Bauern reagierten umgehend, planten thematisch um und verlängerten kurzerhand ihre Kundgebung. Heute sind sie seit mehr als 47 Tagen in Berlin. Angesichts der Motive Schulzes scheint das angebracht. Die lassen nämlich weniger sach- und fachkompetentes Handeln aufscheinen als eher ideologisch getriebene Eile: „Das Gesetz muss noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden. Mir dauert das alles schon viel zu lange.“ Alf Schmidt meint, Frau Schulze wollen kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit wenigstens einmal was in Gesetzesform gebracht haben, da sie bisher „nichts geliefert“ habe.

Für ihn ist das gesamte politische Taktieren eh nur Augenwischerei. Er habe aus der Politik signalisiert bekommen, dass die Bauern nicht mehr wichtig seien. Viel wichtiger sei die deutsche Industrie. Und deren Absatzmärkte in Südamerika könnten nur beliefert werden, wenn Südamerika mit „Naturalien“, sprich Lebensmitteln, zahlen dürfe. Sei der Markt durch deutsche Produkte gesättigt, sei es schwer, die Einfuhr von Lebensmittel von ehemaligen Urwaldflächen nach Europa zu rechtfertigen. Jeder deutsche Bauer stehe diesem Handel im Wege, wie er beispielsweise im sogenannten Mercosur-Abkommen geplant war.

Obwohl die Landwirte mit bis zu 1.000 anwesenden Traktoren eine ansehnliche „Streitmacht“ sind, obwohl sie Tag für Tag ihre Runden durch Berlin drehen, obwohl sie sich so „wohlverhalten“, dass sie mit 400 Traktoren vor dem Bundestag und dem Kanzleramt innerhalb der Bannmeile auffahren durften, obwohl die Dringlichkeit des Gesprächs mit diesen qualifizierten Fachleuten in jedem Satz greifbar wird, hat bisher nur Julia Klöckner sich einmal 90 Minuten Zeit zum Gespräch genommen – und sich dabei beinahe um Kopf und Kragen geredet. Medial werden sie – wie bereits erwähnt – geschnitten. Erwähnenswert sind sie nur dann, wenn sie für Verkehrsbehinderungen sorgen, angeblich eine „Grünanlage“ – in Wahrheit einen ungepflegten Grünstreifen zwischen zwei Fahrbahnen – „zerstört hätten“ oder sich einer Symbolik bedienen, die vermeintlich „rechts“ sei und ihre „Radikalisierung“ sichtbar mache.

Alf Schmidt lacht nur, als er auf die mediale Wahrnehmung und öffentliche Darstellung dieses Überlebenskampfes angesprochen wird: „Linksradikal, rechtsradikal, Holocaustleugner, Coronaleugner, all das und noch viel mehr wurde ich schon geschimpft. Immer, um sich nicht mit Fakten auseinandersetzen zu müssen. Wir werden sogar vom Bauernverband im Stich gelassen. Während EDEKA Minden uns für eine Woche für 2000 Mann Vollverpflegung – Frühstück, Mittag- und Abendessen vorbereitet und geliefert hat, hat der Bauernverband sich erst beschwert, dass wir mit ihm nicht zusammenarbeiten. Dann wurde auf schriftliche Anfrage jegliche Unterstützung abgelehnt. Unser Einsatz ist nicht kostenlos: Ein Bett kostet mindestens 39 Euro/Nacht. Viele schlafen im Auto, im Trecker oder in einem Container. Wir zahlen die Anreisen selbst und tanken die Trekker für die Protestrunde auf.“

Aber er ist zuversichtlich und sicher, dass man um seine Mitstreiter und ihn nicht mehr herumkommen werde: „Wir sind so viele, wir sind so breit aufgestellt: Der „Bundesverband Deutscher Milchviehhalter“ ist dabei, wir von den „Freien Bauern“, die Basisbewegung „Land schafft Verbindung – das Original“ bringt sich ein, einfache Bauernverbandsmitglieder oder auch unorganisierte Bauern. Die Leute kommen vom Bodensee und treffen auf ihre Obstbauernkollegen aus dem „Alten Land“, hier sind Weinbauern aus der Pfalz, Gemüsebauern, Viehhalter, Schweinemäster, hier ist alles vertreten. Und dieses Jahr sind Bundestagswahlen. Wir Bauern achten genau darauf, welche Partei, welcher Kandidat sich wie positioniert.“

Schon seit Oktober 2019 kämpfen Landwirte von der Basis selbstbestimmt, partei- und vor allem verbandsunabhängig für ihre Belange. Sie sehen sich weder von der Politik noch von ihren Standesvertretungen vertreten.

Bildquelle:

  • Tecker_Bauern_Protest_Berlin: the germanz

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