von ANDRÉ KLOHN & MICHAEL FISCHER
KIEL – Mit der Lieferung zwei weiterer U-Boote stärkt Deutschland die strategische Partnerschaft mit dem südostasiatischen Stadtstaat Singapur. Bundeskanzler Olaf Scholz und Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong nahmen auf der Kieler Werft Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) an der Taufe der beiden 70 Meter langen Boote teil. Sie gehören zu den größten U-Booten, die seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gebaut wurden.
Scholz nannte die Rüstungshilfe für das kleine, aber reiche asiatische Partnerland «ein deutliches Signal». Deutschland übernehme damit Verantwortung für die Sicherheit Singapurs. «Man kann sich auf uns verlassen.» Der Kanzler betonte, dass der Rüstungsexport zur Sicherung einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt beitrage. Durch die Straße von Singapur, die am südwestlichen Ende des Südchinesischen Meeres liegt, läuft ein großer Teil des globalen Handels.
«Schutz gegen Imperialismus und Kriegstreiberei»
Das Südchinesische Meer gilt als gefährlichster potenzieller Konfliktherd in der Indopazifik-Region. Dort streitet China mit Vietnam, Malaysia, Brunei und den Philippinen um Inseln, Riffe und Meeresgebiete. Auch die Insel Taiwan, die China für sich beansprucht, liegt am nordöstlichen Rand des Südchinesischen Meeres. «Sicherheit und Stabilität auch im Indopazifik sorgen dafür, dass die internationale Ordnung insgesamt aufrecht erhalten werden kann», betonte Scholz. «Sie sind ein Schutz gegen Imperialismus und Kriegstreiberei.»
Deutschland versucht seit einigen Jahren, die Beziehungen zu der Region breiter aufzustellen und sich dort auch militärisch zu engagieren. Im vergangenen Jahr wurde erstmals ein Kriegsschiff der Bundeswehr in die Region geschickt. In diesem Jahr nahm die deutsche Luftwaffe mit sechs Eurofighter-Kampfjets, sowie sieben Transport- und Tankflugzeugen an einem Manöver in Australien teil.
Partnerschaft mit Singapur hat auch mit China zu tun
Im November besuchte Scholz vor dem G20-Gipfel in Indonesien Vietnam und Singapur, um zu zeigen, dass Asien für Deutschland mehr als nur China ist. Die Bundesregierung will die wirtschaftliche Abhängigkeit von China unbedingt verringern, um nicht in eine ähnliche Situation zu geraten wie mit Russland und der Gasversorgung. «Diversifizierung der Handelsbeziehungen und der Lieferketten – so lautet das Gebot der Stunde», betonte Scholz in Kiel. Singapur nannte er einen wichtigen strategischer Partner für Deutschlands Sicherheitspolitik.
Die beiden Boote wurden auf die Namen «Impeccable» (makellos) und «Illustrious» (erhaben) getauft. Singapur hat in Kiel insgesamt vier U-Boote vom Typ 218SG gekauft. Im Februar 2019 war mit der «Invincible» (unbesiegbar) das erste von ihnen in Kiel getauft worden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur verfügen sie über einen Brennstoffzellen-Antrieb. Ausgelegt sind sie für eine Besatzung von 28 Männern und Frauen. Der Wert der vier Boote dürfte zusammen im Milliardenbereich liegen.
TKMS-Chef Oliver Burkhard sagte, es seien «die größten U-Boote, die wir jemals gebaut haben». Der Besuch des Kanzlers sei für die Werft zweierlei: «ein starkes Signal und ein bedeutsames Symbol».
Rüstungsexporte kein «Schmuddelthema» mehr
Dass ein Kanzler einen großen kommerziellen Rüstungsexport in ein sogenanntes Drittland außerhalb von EU- und Nato durch seine Anwesenheit würdigt, ist tatsächlich äußerst ungewöhnlich. Rüstungsexporte galten lange Zeit als «Schmuddelthema», mit dem man politisch eigentlich nur verlieren konnte. Auch das scheint sich mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und der von Scholz ausgerufenen «Zeitenwende» in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nun geändert zu haben.
Scholz und Lee Hsien Loong hatten sich am Morgen in Kiel zu einem Gespräch getroffen und waren anschließend mit einem Küstenboot der Wasserschutzpolizei zu der Werft gefahren. Der Premierminister sprach von guten und wachsenden Beziehungen mit Deutschland. Die insgesamt vier bei TKMS bestellten Boote seien die ersten neuen U-Boote der dortigen Marine. Die Boote seien zwar gebaut in Deutschland, «aber einzigartig Singapur».
Werft mit mehr als 3100 Beschäftigten
TKMS hat allein am Standort Kiel mehr als 3100 Beschäftigte, weltweit sind es nach Unternehmensangaben gut 7000 bei einem Jahresumsatz von etwa zwei Milliarden Euro. Die Werft ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei konventionellen U-Booten und im Überwasser-Marineschiffbau tätig. Bis 2023 will sie die Werft in Kiel für 250 Millionen Euro ausbauen und die Produktionskapazitäten mit einer neuen Werfthalle sowie einer eigenen Brennstoffzellen-Fertigung erweitern. TKMS ist bis in die 2030er Jahre ausgelastet – offener Auftragswert 14 Milliarden Euro. Auch deshalb hat sie nach der Insolvenz der MV Werften-Gruppe die Werft in Wismar gekauft und will dort künftig Militärschiffe bauen.
Bildquelle:
- Olaf Scholz: dpa