„Schimmi“ ist wieder da: WDR wiederholt alle Folgen der Kult-Krimiserie aus Duisburg

von MARK ZELLER

DUISBURG – Zum Jubiläum der Krimireihe „Tatort“ zeigt das Erste ab vergangener Woche alle Folgen seines populärsten Ermittlers: Schimanski revolutionierte nicht nur das Deutsche Fernsehen, er ist auch bis heute fester Bestandteil der Ruhrgebiets-Kultur – besonders in seiner „Heimatstadt“ Duisburg.

Filmpremieren hin, aktuelle Diskussionsrunden her   eine Wiederholungs-Ankündigung ist es, die seit Tagen die öffentliche TV-Wahrnehmung bestimmt: Der WDR hat mit der Wiederholung aller 29 „Tatorte“ mit seinem von Götz George gespielten und mitkreierten Kult-Kommissar Horst Schimanski begonnen. Und allein die Tatsache, wie diese Meldung die sozialen und die herkömmlichen Medien geradezu elektrisiert, zeigt die Ausnahmestellung, die die Figur in nunmehr 50 Jahren Tatort einnimmt.

Dabei ist der „Tatort“ als langlebigste Krimireihe im deutschsprachigen Raum mit mittlerweile über 1.100  Folgen und insgesamt über 80 verschiedenen Ermittlern ohnehin eine beispiellose Erfolgsserie. Doch Schimanski hob die Filmreihe noch einmal in eine ganz andere Sphäre. Er revolutionierte nicht nur das Krimi-Fach, sondern die gesamte deutsche Fernsehlandschaft. Und keine Tatort-Folge schlug dermaßen ein, wie die, mit der das  Erste vergangene Woche den Schimanski-Reigen (wieder)eröffnete, jene mit der „Schimmi“ einst mit großem Knall in die deutschen Wohnzimmer trat.

“Zottel, Du Idiot, hör‘ auf mit der Scheiße!” Mit diesen längst legendären ersten Worten verdeutlichte der „Neue“ am Abend des 28. Juni 1981 der verblüfften Fernseh-Nation gleich mal, dass es nun mit einem völlig neuen Ermittler-Typus zu tun hatte. Ein fluchender, saufender und prügelnder Kriminalhauptkommissar zur Prime-Time im kreuzbraven öffentlich-rechtlichen Fernsehen – das hatte die Republik noch nicht gesehen.

Aufsehenerregender Auftakt

Prompt erhob sich zunächst ein Sturm der Entrüstung in Presse und Lokalpolitik. Die Stadt Duisburg, wo das wilde Geschehen spielte, wähnte sich durch die detaillierte Darstellung heruntergekommener Straßenzüge und Kneipen zum Schmuddel-Image verdonnert. Nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass viele der entsprechenden Szenen in anderen Städten gedreht worden waren. Aber man fremdelte insgesamt schon einigermaßen mit dieser neuen Art der Film-Zeichnung. Das allerdings änderte sich schnell, denn als der erste Rauch verflogen war, zeigte sich, dass Schimanski vor allem eines transportiert: Realitätsnähe, mit all ihren Facetten, eben auch den schmerzhaften.

So wie er, mit Schnäuzer, Feldjacke, Jeans, war man tatsächlich unterwegs im Ruhrpott der Achtziger-Jahre, aß, wie er, Currywurst im Stehen und trank Köpi aus der Flasche. „Schimmi“ war echt. Missgeschicke und persönliche Fehler eingedenk. Aber bei ihm hieß es auch: Immer einmal mehr aufstehen, als hinfallen. Dranbleiben. Vorhandene Probleme nicht ignorieren oder wegwischen, sondern anpacken und wenn’s sein muss, mit harter Gangart. So hart, wie das Leben. Er war ein Draufgänger, Einmischer und Raubein. Ehrlich und direkt aber auch nahbar und verletzlich. Und dabei immer das Herz am rechten Fleck. Ruhrpott eben!

Im Gegensatz zu seinen adrett gekleideten und scheinbar keimfrei ermittelnden Vorgängern, tauchte Schimanski nicht nur tief ins Milieu – er war Teil davon. Und damit auch Teil des Ruhrgebietes. Bald schon hieß es in Duisburg, wie in der gesamten Region: „Dat is einer von uns!“ Mehr noch: „Schimmi“ gab dem Pott ein Gesicht und Profil.

Vom Schmuddelkind zur Ikone

Ein weiterer wesentlicher Punkt dabei: Der Teamgedanke, den Schimanski, nicht nur, aber besonders, mit seinen kongenialen Kollegen Thanner (Eberhard Feik) und Hänschen (Chiem van Houweninge) an den Tag legte. Egal, wie sehr er über die Stränge schlug, wenn’s drauf ankam, war auf ihn immer Verlass. Deswegen verzieh‘ man ihm seine Marotten: Wenn er einem Anstreicher den Pinsel klaute, sich ungefragt ein belegtes Brötchen vom edlen Buffet schnappte oder mal wieder ungewaschen zum Rapport bei seinem Vorgesetzten erschien. Er war es auch, der eingetretene Türen salonfähig machte. „Schimmi“ durfte das! Klar, dass so einer seine Laufbahn nur selbst beenden konnte – und wie! Als er in seiner letzten Tatort-Folge „Der Fall Schimanski” am 29. Dezember 1991 den Dienst quittierte, erreichte das Sendeformat mit  16,68 Millionen Zuschauern seine bis heute gültige Best-Quote.

Neben den zehn Jahren „Tatort“ gab es in den achtziger Jahren auch zwei erfolgreiche Kinofilme mit dem Kult-Kommissar, ehe die ARD ihm ab 1997 sogar eine eigene Serie mit dem Titel „Schimanski“ widmete, in der „Schimmi“ als freier Ermittler die Polizeiarbeit unterstützt. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal für einen deutschen TV-Beamten: Mit „Faust auf Faust“ (von Klaus Lage) „Midnight Lady“ (Chris Norman) stürmten gleich zwei Titelsongs seiner Filme die Charts, wobei erstere sich als dauerhafte „Schimmi“-Hymne etabliert hat.

Dass er bei alldem immer nicht nur sich selbst, sondern auch seiner „Heimatstadt“ Duisburg treu blieb, erklärt, warum eine fiktive Filmfigur hier bis heute gelebt und geliebt wird. Die besondere Verbundenheit Schimanskis zu seinem Kiez zeigte sich von Beginn an – und sogar in der Namensgebung. Der aufsehenerregende Erstling „Duisburg-Ruhrort“ ist benannt nach jenem Stadtteil am Zusammenflusses von Rhein und Ruhr, mit dem größten Binnenhafen der Welt, wo „Schimmi“ von Beginn an zuhause war und es über all die Jahre trotz internationaler Ermittlungen bis zum Schluss auch blieb.

Lebendige Schimanski-Kultur

So ist Schimanski in der Rhein-Ruhr-Metropole auch mehr als vier Jahre nach dem Tod des ihn verkörpernden Schauspielers Götz George und fast sieben Jahre nach seinem letzten Film auf vielfache Weise gegenwärtig: Es gibt Schimanski-Führungen (https://www.du-tours.de/touren/schimmi-tour-mit-currywurst) zu Original-Drehorten, -Souvenirs, -T-Shirts und -Autoaufkleber. Seit 2014 trägt sogar eine Straße in Ruhrort den Namen „Horst-Schimanski-Gasse“. Fans betreiben seit fast 25 Jahren eine eigene Website (http://horstschimanski.info/), in der Stadt wurden mehrere Filmnächte veranstaltet (https://www.waz.de/kultur/eine-ganz-besonders-lange-schimanski-filmnacht-in-duisburg-id215669353.html), und zum ersten Todestag Götz Georges initiierte ein Hochschullehrer(!) einen Flashmob (https://www.lokalkompass.de/duisburg/c-lk-gemeinschaft/heute-18-uhr-am-kuhtor-der-horst-schimanski-flashmob-erinnerung-an-goetz-george-der-vor-einem-jahr-verstarb_a769671) .

Zur besonderen Verbundenheit der Figur zu Duisburg gehört auch dieses:  Als ein anderes großes Aushängeschild der Stadt, der MSV, 2013 die Lizenz für die zweite Liga entzogen bekam, und eine ganze Region um den Fortbestand des Traditionsvereins bangte, da bekannte auch „Schimmi“ Farbe für die „Zebras“. Sein Foto im Fan-Outfit landete prompt auf den Titelseiten der Sportzeitschriften und ging viral – und auch dank seiner Unterstützung bekam der Club wenigstens die Lizenz für Liga 3.

Nicht nur deshalb lobt man dort den immer vorhandenen Schulterschluss mit „Schimmi“, der sich auch in einer seiner berühmtesten Filme widerspiegelt (https://de.wikipedia.org/wiki/Tatort:_Zweierlei_Blut).

Stellvertretend für viele in Duisburg bringt MSV-Sprecher Martin Haltermann die Bedeutung der Figur auf den Punkt: “Schimmi, das war Ruhrpott-Charme aus Stahl, Kohle und coolen Typen. Duisburg, wie es leibt und lebt. Deswegen ist hier die Identifikation mit dieser Figur bis heute ungebrochen.

Bildquelle:

  • Schimanski: das erste

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