„Russland ist der Feind“: Es wird Zeit, dass Europa das begreift und handelt

Die Fahnen der EU und der NATO.

von KLAUS KELLE

KIEW/WASHINGTON/MOSKAU/BRÜSSEL – Es scheint ein dunkler Tag für die Ukraine und ein dunkler Tag für Europa zu sein heute. In einer Zeit, in der Russland jeden Tag die „Eroberung“ irgendeines dem Erdboden gleichgemachten Mini-Dorfes im Osten der Ukraine als den vermeintlichen Sieg über den Westen abfeiert, gleichzeitig aber die russische Wirtschaft abschmiert, Hilfssoldaten aus Nordkorea eingeflogen werden und Billigdrohnen aus dem Iran importiert werden müssen, scheint der neue US-Präsident Donald Trump sowohl die Ukraine als auch Europa fallenzulassen.

Der amerikanische Präsident hat offenbar in den vergangenen Tagen ein Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin geführt, in dem die Beendigung des Ukraine-Krieges im Mittelpunkt stand. Was zu den Medien „durchgestochen“ wurde ist, dass es sich bei den angeblich vereinbarten Bedingungen nicht um einen Friedensschuss oder die Wiederherstellung des Rechts handelt, sondern um einen Diktatfrieden und die weitgehende Unterwerfung der Ukraine unter Putins Machthunger. Sollte das so sein, enttäuscht Trump die Hoffnungen von Millionen Europäern zutiefst, nach seinen fulminanten Start in die zweite Amtszeit.

Putins Schoßhündchen Dmitri Medwedew sieht im Zustandekommen des Telefonats zwischen Trump und Putin, wenig verwunderlich, einen Beleg für die Schwäche Europas auf der internationalen Bühne.

Diese Schwäche existiert, wer würde das bezweifeln?

Ebenso wie Deutschland wird die EU seit vielen Jahren von links-woken Phantasten geleitet, die ihre wichtigste Aufgabe, den Schutz der eigenen Bevölkerung, sträflich vernachlässigt haben. „Europas Zeit ist vorbei“, triumphiert Medwedew, doch die Messe ist längst noch nicht gelesen.

Wenn er nämlich von „der Unbesiegbarkeit Russlands“ schwafelt, ist da wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens.

Russland hat außer Krieg, der brutalen Unterdrückung anderer Meinungen und dem, was zufällig in der Erde des weltgrößten Landes steckt, nichts, was für Menschen in aller Welt attraktiv sein könnte. Sie erfinden nix, sie produzieren außer Waffen und Alkohol nichts, was irgendwer bräuchte. Wenn der von Trump vor neun Jahren selbst geprägte Begriff „Shithole“ für einen Staat zutreffend ist, dann für das heutige Russland.

Russland gewinnt ja immer, irgendwie

Seine bezahlten und naiven Lautsprecher in den Sozialen Netzwerken beschreiben einen mächtigen Staat, den es nur wegen seiner Atomwaffen gibt. Vor denen müssen andere Staaten zurecht Angst haben. Aber sonst? Wenn es Russland morgen nicht mehr gäbe, kaum jemand würde das bemerken.

Erst vor wenigen Tagen wurde ein Papier aus dem Kreml bekannt, indem das Scheitern seiner Strategie der Umarmung früherer Sowjetrepubliken eingeräumt wurde. Da kann Moskau noch so locken und Versprechungen machen: die Osteuropäer wollen in die EU und – wichtiger noch – in die NATO. Kein Mensch braucht dieses Russland.

Und dennoch haben viele europäische Staaten, haben Berlin, Paris und andere die Gefahr nicht sehen wollen.

Im Baltikum, in Polen, in Rumänien erinnert man sich noch gut, wie das Leben unter sowjetischer und russischer Herrschaft war

So wie die Ukraine, die es – dank Merkel – 2008 nicht mehr unter den Schutzschirm der NATO geschafft hat, bevor die menschenverachtenden russischen Horden herangestürmt kamen.

Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel (76, „Entscheidung in Kiew“) hat jetzt gerade in einem Interview mit der dpa vor der europäischen Blauäugigkeit gegenüber Putin gewarnt. „Russland ist der Feind“, sagte Schlögel, und mahnt die Deutschen, sich jetzt schnell darauf vorzubereiten, verteidigungsbereit zu werden.

„Wir sind schon in einer Kriegssituation“, sagte Schlögel. „Ein Krieg fängt ja nicht von heute auf morgen an, sondern es gibt Vorstufen.“ Russland versuche, „die EU zu zerlegen“ und Fluchtbewegungen auszulösen. Acht Millionen Ukrainer seien durch den russischen Angriffskrieg vertrieben worden. Es gäbe seitens Moskaus „fortwährend Versuche der Einmischung, Sabotageakte, Versuche, die politischen Parteien zu instrumentalisieren, also die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht“, sagte Schlögel. Und: „Russland testet, wie weit es gehen kann.“

Sollte Trump die Ukraine tatsächlich fallenlassen – was keineswegs ausgemachte Sache ist – dann gilt es keine Zeit mehr zu verlieren. Das schwammige, manchmal zerstrittene Gebilde Europa, muss jetzt Rückgrat beweisen. „Es ist absurd, dass sich 500 Millionen Europäer von 330 Millionen Amerikanern vor 130 Millionen Russen beschützen lassen“, sagte mal ein kluger Kopf vor 20 Jahren. Und das gilt auch heute.

Europa hat wirtschaftlich die Kraft, weite Teile Europas haben den Willen, Russlands Machtanspruch zu widerstehen. Und die wirtschaftliche Kraft haben die EU-Staaten sowieso. Fehlt noch der Wille der politisch Verantwortlichen. Heute könnte Tag 1 für ein neues, selbstbewusstes und starkes Europa werden…

Bildquelle:

  • Flaggen_EU_NATO: depositphotos

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.