Russland hat es jetzt selbst in der Hand

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

es ist viel zu früh, die Vorgänge in Russland tiefgreifen zu bewerten. Niemand weiß, wie das alles enden wird. Die russische Söldner-Armee Wagner unter ihrem streitbaren Anführer Jewgenij Prigoschin probt den Aufstand. Und das aus gutem Grund.
Ihr allein ist es zu verdanken, dass die strategisch und technisch völlig marode reguläre russische Armee überhaupt noch etwas zu melden hat in Teilen der Ostukraine. Nur den Wagner-Kämpfern sind die letzten Erfolge im Feldzug gegen das Bruderland zu verdanken. Und sie haben einen hohen Blutzoll gezahlt.
Bis zu 50.000 tote Wagner-Kämpfer sollen dem Größenwahn des Keml-Herrschers bisher – britischen Analysten zufolge – zum Opfer gefallen sein. 200.000 Todesopfer hat dieser völlig sinnlose Krieg bisher insgesamt gefordert, ungezählt die Verletzten, Verkrüppelten und Vergewaltigten, die Zerstörungen. Und für was alles? Ach ja, die Nazis…was für eine Farce.
Manchmal denke ich, in Russland hat sich nichts geändert außer den Glasfassaden der Hochhäuser in Moskau. Immer noch die Betonköpfe, immer noch altes Denken, immer noch lieber Krieg als Konfliktlösung.

Jewgenij ist kein Feind Russlands und schon gar kein Freund des Westens. Er ist ein russischer Patriot durch und durch, lange war er ein enger Freund Putins. Nun hat der seine regulären Truppen und Geheimdienstler losgeschickt, Prigoschin umzulegen. Ach Quatsch, zu „neutralisieren“, das ist ja ganz was anderes… Vielleicht fällt der Wagner-Boss einfach versehentlich aus dem Badezimmerfenster demnächst. So, wie Barbaren solche Fälle lösen.

Auch in der russischen Bevölkerung wächst das Unbehagen. Nicht wegen der westlichen Propaganda, sondern wegen der vielen Särge, die von der Ukraine-Front nach Haus geschickt werden. Wegen der weinenden Mütter, die ihre Söhne betrauern, von denen manche nicht einmal wussten, wo sie da kämpfen und warum. Aber sie sind tot.

Nicht die andere Seite ist der Feind, sondern der Krieg selbst ist der Feind jeglicher Zivilisation. Der Angriff auf die Ukraine war vom ersten Tag an der reine Wahnsinn. Befohlen von einem offensichtlich psychisch schwer gestörten Mann, der bereit ist, alles und jeden zu opfern, um als Imperator in den Geschichtsbüchern zu stehen, der das alte Großreich wieder auferstehen ließ. Es wird ein Desaster werden.

Ich weiß nicht, was Prigoschin für Trümpfe im Ärmel hat. Aber ich weiß, dass er weiß, dass er bald sterben wird, wenn er jetzt keinen Erfolg hat. Ein Zurück gibt es nicht mehr.

Warten wir also die nächsten Stunden ab und hoffen wir, dass der Wagner-Chef mächtige Leute in Moskau hat, die ihm jetzt helfen, den Wahnsinnigen im Kreml abzuräumen.

Mit besorgten Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.