von THILO SCHNEIDER
HESSEN – Sie ist eröffnet, die „8. Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“, das Forum für alle freiheitlich-demokratischen Kräfte und Bürger – dieses Jahr in Mittelhessen. Dem Publizisten Klaus Kelle ist es einmal mehr gelungen, prominente Köpfe konservativer und freiheitlicher Parteien, Institutionen und Organisationen als Redner, Diskutanten und Key-Speaker zu gewinnen, die miteinander diskutieren, streiten und sich vernetzen werden. Die Zeit ist reif für vernünftige gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Veränderung – und zwar völlig anders, als sich dies die Ampelparteien oder die Union vorstellen.
Die Eröffnungsveranstaltung mit rund 300 Teilnehmern als Podiumsdiskussion stand unter dem Motto „Repräsentationslücke – brauchen wir eine neue Partei zwischen CDU und AfD“?“ Auf dem Podium diskutierten, neben dem Gastgeber Klaus Kelle: Sylvia Pantel, Sprecherin des konservativen „Berliner Kreises“ in der CDU, Hans-Georg Maaßen als ehemaliger Chef des Verfassungsschutzes und jetzt der WerteUnion, Joanna Cotar, nach ihrem Austritt aus der AfD parteilose Bundestagsabgeordnete sowie, erstmalig bei einem Schwarmtreffen überhaupt, die AfD vertreten in Gestalt von Frank-Christian Hansel, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Eine also durchaus gemischte Runde, wie man sie sich in dieser Form auch einmal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wünschen würde. Hier sprachen erstmals konservative Politiker miteinander statt übereinander.
Jeder der Anwesenden hat durchaus Probleme mit seiner Partei. Frau Pantels christlich-konservative Einstellung trifft nicht überall – speziell bei den „Merkelianern“ in der CDU – auf Zustimmung und die Enttäuschung über den doch eher schwach performanden Parteivorsitzenden Friedrich Merz ist ihr deutlich anzumerken. Auch Maaßen als Vorsitzender der WerteUnion hadert mit seiner Partei, seine Identifikation mit der CDU bezeichnet er als „nur noch einen kleinen Türspalt, der aber noch offen ist“.
Auf die Frage von Klaus Kelle, wie lange er „sich das noch antun will“, antwortet Maaßen: „Ich bin länger in der CDU als viele, die im Bundesvorstand sitzen, und ich lasse mich nicht hinausdrängen. Ich bestimme selbst, wann ich gehe!“ Ein ehemaliger Ministerpräsident habe ihm einmal gesagt, dass es die CDU zerreißen würde, wenn sie seine Positionen vertrete, worauf Maßen geantwortet habe: „Na und?“
Maaßen geht es nicht um die CDU – ihm ist das Land wichtig.
Joana Cotar war selbst in der AfD, Bundestagsabgeordnete, jetzt fraktionslos. Nach Dauermobbing von Exponenten des rechtsextremen „Flügels“ – der angeblich nicht mehr existiere -hat sie hingeschmissen und gilt in den rechten Kreisen als „Verräterin“. Ihr Problem mit der Afd sei, dass es nicht mehr um Politik für das Land, sondern vielen nur noch um das stattliche monatliche Einkommen gehe. Kelles Einwurf, dass es dieses Geschachere auch in anderen Parteien gäbe, konterte sie mit der Bemerkung, dass die AfD angetreten sei, um es anders zu machen. Sie sieht das nicht mehr.
Als Parteilose betreibt Frau Cotar eine putzmuntere Ein-Frau Opposition und hat sich vor allem auf Twitter einen Namen als „Krawallschachtel“ gemacht, da sie als Kritikerin der AfD, aber auch der Ampelregierung zwischen allen parteipolitischen Stühlen sitzt.
Frank-Christian Hansel schließlich sprach ganz offen über die diversen Strömungen innerhalb der AfD und dass die AfD eben die Partei sei, die das, was sich ein Großteil der Gesellschaft an liberal-konservativer Politik wünsche, bereits heuteb verkörpere.
Einig waren sich alle Diskutanten darin, dass Deutschland sich wieder auf den Weg hin zu einer möglichst ideologiefreien, vernunft- und faktenbasierten Politik machen müsse, die dem Land wirklich nützt und die drängenden Probleme nicht nur anspricht, sondern auch löst. Gendersprache und die Anzahl der Geschlechter werden nicht als drängende Probleme identifiziert. In der Frage, ob dies mit den bestehenden Parteien noch möglich ist oder der „Gap“ zwischen CDU und AfD nur durch eine neue Partei geschlossen werden könnte, waren sich die Teilnehmer allerdings uneins.
Joana Cotar glaubt, dass die meisten Bürger die Nasen von Parteien oder dem Parteiensystem insgesamt voll haben. Sie behauptet, dass es den meisten Politikern mehr um ihren Gehaltsscheck als um das Land gehe. Sie spricht sich für die Bündelung der liberal-konservativen Kleinparteien unter einem gemeinsamen Dach und für eine Änderung des Parteiensystems aus, das weniger Listen- und mehr Direktmandate vorsehen sollte.
Hansel stimmt hier zu, wirft aber ein, dass ein Politiker, der erst gebeten werden möchte, einer Partei beizutreten und sich zu engagieren, mit Sicherheit kein Politiker sei, der das Land an erster Stelle sähe. So lange es keine andere echte Oppositionspartei als die AfD gäbe, so lange sei die Alternative für Deutschland für ihn eben tatsächlich alternativlos. Das „Brandmauer“-Gerede der Union führt Hansel auf eine Art „Selbsthass“ der Union zurück – die gerne die Positionen der AfD vertreten würde, aber aus Rücksicht auf die Medien und die Grünen als potentiellen Koalitionspartner sich genau dieses nicht mehr traut.
Maaßen bedauert, dass die CDU ihren Markenkern verloren hat
Er erzählt von einem „alten CDU-Mann“, der noch vor 10 Jahren die fünf Alleinstellungsmerkmale der CDU „im Schlaf hätte aufsagen können“ – und dem heute spontan kein einziges Merkmal einfallen würde.
Die CDU als bloße Alibi-Hülle für Scheckabholer an der Bundestagskasse? Maaßen glaubt, dass eine reformierte CDU, die glashart mit der Ära Merkel bricht, von heute auf morgen die Zahlen der AfD tatsächlich halbieren könnte – nur sei Friedrich Merz nicht der richtige Mann, dies zu tun. Wenn die CDU die sogenannte „Repräsentationslücke“ nicht schließt, so Maaßen, „dann wird das eine andere Partei tun – so ist der Markt“.
Sylvia Pantel glaubt durchaus daran, dass die CDU von innen reformierbar wäre, würde sich die CDU auf ihr konservativ-christliches Erbe besinnen – und für konservative Bürger als Mitmach-Partei offener und attraktiver sein.
Einig sind sich auf dem Podium alle in einem Punkt: Eine weitere „“Ampel-Periode“ wird Deutschland ruinieren, schlimmstenfalls bis zum Zusammenbruch. Und die Zeit drängt.
Platz wäre sicher für eine neue Partei, wie sie Joana Cotar grob skizziert hat, für eine Partei, die weder mit der Union, noch mit der AfD Berührungsängste hätte. Denn die AfD alleine werde nie eine absolute Mehrheit in Wahlen in Deutschland erringen. Das Problem ist die Zeit.
Pantel treffend: „Es ist 12 Uhr.“ Und da es technisch nicht nur schwierig, sondern wahrscheinlich sogar unmöglich ist, eine bundesweit agierende Partei innerhalb von 24 Monaten auf die Beine zu stellen, bleibt für wenigstens drei Teilnehmer des Podiums nur das Fazit: Macht in den vorhandenen Parteien mit und arbeitet im Sinne des Landes an der Veränderung der Strukturen dort, wo sie bereits vorhanden sind.
In der insgesamt rund zweistündigen Diskussion fiel übrigens ein Parteiname nicht ein einziges Mal: FDP. Die Liberalen spielen keine Rolle mehr für die zukunft unseres Landes.
Bildquelle:
- Diskussion_Schwarm: thegermanz