Probleme lösen ist leicht – wenn man persönlich gut miteinander kann

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

kennen Sie den Unterschied zwischen einer Klausurtagung und einer Kabinettssitzung? Zu beiden wird formal eingeladen, bei beiden stehen wichtige Themen für ein wichtiges Gremium mit wichtigen Menschen auf einer Tagesordnung. Und dennoch unterscheiden sich die beiden Formate immens.

Der Unterschied ist der Faktor des Menschelns

Die Bundesregierung trifft sich gerade zu einer Klausurtagung mit Übernachtung auf einem Barockschloss in Brandenburg. Und, ich kann nicht genau erklären warum, aber Olaf Scholz und Barockschloss, das finde ich irgendwie witzig. 1945 wollte die Rote Armee das Schloss sprengen, aber ein wackerer Bürgermeister namens Franz Rohde konnte das irgendwie verhindern. Lange stand das Gebäude da so herum, und niemand wusste, was man damit machen soll. Irgendwann Jahrzehnte später machte man daraus ein Gästehaus der Bundesregierung. Und jetzt sind sie nunmal da, die Herrschaften, die uns – mehr schlecht als recht – regieren.

Es knirscht in dieser Ampel, das wissen Sie als Zeitungsleser alle. Nicht, weil Deutschlands Probleme unlösbar wären, sondern weil sich die Wahlergebnisse der Roten, Grünen und Gelben unerfreulich sind. Auch das muss man differenziert betrachten, denn die die Grünen sind unerfreulich stabil mit ihrer industriefeindlichen und durchideologisierten Politik. EnergieGaga, GenderGaga, MassenmigrationGaga – kann es noch schlimmer sein als diese Leute an Deck des einst stolzen Segelschiffs Deutschland stehen zu haben?

Aber die SPD, die gerade in Umfragen zur bayerischen Landtagswahl knapp über fünf Prozent dümpelt und die FDP, die seit Regierungsbeteiligung eine Klatsche nach der anderen vom Wähler einfängt, müssen sich was einfallen lassen. Habeck und Lindner zoffen sich öffentlich um Geld und Atomkraft, Strack-Zimmermann und Scholz sind alles andere als Kampfgefährten – jedenfalls nicht in der gleichen Truppe. Und Annalena Baerbock piesackt den zögerlichen Kanzler immer wieder auf der Weltbühne, ohne aber Rote Linien zu überschreiten. Die Frau, ich wiederhole mich, wird unterschätzt. Oder wie man in meiner lippischen Heimat sagen würde: die hat es faustdick hinter den Ohren.

Klausurtagung, das ist nicht strammes Arbeiten und Probleme lösen, das ist Sympathieaufbau, das ist Frontbegradigung, das sind drei Gläser zu viel nach dem Abendessen, wo mal Tacheles geredet werden kann. Klausurtagung, das ist der Waldspaziergang nach dem Mittagessen, wo mal über dies offen und ohne Protokoll gesprochen oder auch gebrüllt wird, wo man Missverständnisse unter vier Augen ausräumt.

Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl war ein Meister im Machtspiel mit dem Menscheln

Nicht nur beim Saumagenessen mit Staatsgästen in der oggersheimischen Provinz, sondern auch mit seinen legendären Telefonanrufen zum Geburtstag bei irgendwelchen CDU-Kreisvorsitzenden. Oder der frühere Bundespräsident Johannes Rau, der sich die aktuellen persönlichen Verhältnisse von wichtigen Personen bei Firmenbesuchen oder Festen vorher zusammenstellen ließ. Und wenn dann das deutsche Staatsoberhaupt im Garten des Schlosses Bellevue einem Verbandsvorsitzenden die Hand schüttelte und dabei sagte: „Ist denn Ihr kleiner Benjamin inzwischen eingeschult worden?“, dann fielen die fast in Ohnmacht, dass Rau sich den Namen ihres Sohnes gemerkt hat, was ihm aber tatsächlich ein Mitarbeiter 60 Sekunden vorher ins Ohr raunte, als sie über den Rasen gingen.

Viele komplizierte Dinge, viele ernste Probleme sind lösbar, wenn die Entscheidungsträger menschlich miteinander können. Denken Sie an Kohl und Jelzin in der Sauna im Kaukasus oder Kohl und Gorbatschow auf einer Brücke sitzend am Rhein in Bonn. Da werden echte Probleme gelöst, nicht bei den Theateraufführungen im Bundestag oder der UN-Vollversammlung.

Also: Nutzt die Zeit auf Eurer Klausurtagung im Barockschloss! Redet, wandert und sauft, und bringt irgendwas Gutes auf den Weg. Für Deutschland, denn nur darum sollte es gehen.

Schönen Sonntag!

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.