Politische Amokfahrten fördern die Wirtschaft – nicht!

von DR. PATRICK PETERS

Heidenei, da hat jemand das Sultanat am Bosporus – Verzeihung: die türkische Regierung natürlich – mal wieder böse geärgert! Wagt es die Commerzbank doch einfach, die offiziellen Wachstumsdaten der Türkei anzuzweifeln. Laut diesen aktuellen Daten habe die Wirtschaft im zweiten Quartal im Vorjahresvergleich um 5,1 Prozent zulegen können; von den G20-Staaten wuchsen nach dieser Sichtweise nur China und Indien noch schneller.

Die Commerzbank (selbst in jüngerer Vergangenheit und Gegenwart freilich nicht von bahnbrechenden Erfolgen geplagt) hat diese Woche unter dem Titel „Turkey – Are you kidding me?“ (zu Deutsch so viel wie: „Türkei – wer soll das glauben?“, wenn man den Titel freundlich übersetzt) einen sehr kritischen Bericht veröffentlicht. Insbesondere aufgrund der Lage im Tourismus und ausbleibender Investitionen ausländischer Unternehmen in Folge der Terroranschläge und des versuchten Militärputsches zweifelt der Analyst Lutz Karpowitz an den Zahlen des türkischen Statistikamtes TurkStat.

So schätzt die Commerzbank beispielsweise, dass anstatt fast vier Millionen wie in 2016 in diesem Jahr nur noch 1,5 Millionen Deutsche in der Türkei ihren Urlaub verbringen werden und dass die angeblich steigenden Besucher aus Russland und dem Mittleren Osten diesen Abschwung nicht aufhalten können.

Ebenso stellt der Autor von „Turkey – Are you kidding me?“ heraus, dass internationale Erhebungen hinsichtlich ausländischer Investitionen in eine gänzlich andere Richtung weisen als die türkischen Zahlen. Diese gehen von einer Zunahme von sechs Prozent im zweiten Quartal aus, während die Studie der Commerzbank jedoch die politische Unsicherheit in der Türkei als „Gift für Investitionsentscheidungen“ bezeichnet. Laut dem Internationalen Währungsfonds fielen Direktinvestitionen in dem südosteuropäischen Land um weitere acht Prozent, berichtet die „Financial Times“, nachdem sie 2016 schon um 30 Prozent zurückgegangen waren.

Naturgemäß finden türkische Offizielle keinen allzu großen Gefallen an der Commerzbank-Studie. Natürlich seien die Zahlen nicht politisch beeinflusst, die Studie sei irreführend, TurkStat würde technisch und wissenschaftlich völlig unabhängig agieren.

Nun, das tut laut der Regierung ja auch die türkische Justiz, weshalb diese Aussage nicht mehr als ein müdes Lächeln hervorrufen kann. Aber die lustigen Erhebungen sind eigentlich gar nicht das Traurige. Sondern die Tatsache, dass politische Amokfahrten nie zu einem guten Ergebnis führen. Mit der Selbsterhöhung des Staatspräsidenten in seinem prächtigen Palast geht eine nachhaltige Schwächung der türkischen ökonomischen Stabilität einher – und man muss sich die Frage stellen, ob sich die Türkei davon so schnell wieder erholen kann und dadurch nicht den Anschluss an die größten Wirtschaftsnationen der Welt verliert; die Türkei rangiert auf Platz 17 der G20-Gruppe Der Weg nach unten kann noch schneller gehen als der nach oben.

Bildquelle:

  • Istanbul: pixabay

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.