WARSCHAU – Polen warnt Migranten an der Grenze zu Belarus per SMS, Gerüchten über einen angeblich bevorstehenden Transit nach Deutschland nicht zu glauben.
Unter Migranten kursiere die Nachricht, dass am 15. November Busse aus Deutschland die Flüchtlinge abholen würden und Polen sein Einverständnis zur Durchfahrt gegeben habe, heißt es in der Kurznachricht. «Das ist eine Lüge und Unfug! Polen wird seine Grenze zu Belarus weiterhin schützen.»
Die SMS auf Englisch würden alle erhalten, deren Handys sich im Grenzgebiet in Reichweite des polnischen Mobilfunks befänden, schrieb Innenminister Mariusz Kaminski auf Twitter. Die Kurznachricht enthalte einen Link auf die Webseite seines Ministeriums, wo sich diese Botschaft in fünf Sprachen finde.
Am Dienstag waren deutsche Aktivisten in Polen mit dem Versuch gescheitert, Migranten aus der Grenzaktion nach Deutschland zu bringen. Der Bus der Initiativen Seebrücke Deutschland und LeaveNoOneBehind wurde wenige Kilometer vor dem Grenzübergang Kuznica von der polnischen Polizei gestoppt. Polen hat in einer Drei-Kilometer-Zone entlang der Grenze den Ausnahmezustand verhängt. Hilfsorganisationen dürfen nicht hinein.
Nato-Sondersitzung nötig?
Wegen der angespannten Lage an der Grenze zu Belarus erwägt Polen nach Angaben von Regierungschef Mateusz Morawiecki gemeinsam mit Litauen und Lettland, eine Nato-Sondersitzung zu beantragen. «Wir diskutieren gemeinsam mit Lettland und besonders mit Litauen, ob man nicht den Artikel 4 der Nato aktivieren soll», sagte Morawiecki am Sonntag der Nachrichtenagentur PAP. Artikel 4 sieht Konsultationen vor, wenn ein Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sei.
Konsultationen nach Artikel 4 beantragte zuletzt zum Beispiel die Türkei, als Anfang 2020 türkische Soldaten bei einem Luftangriff in Nordsyrien getötet wurden. Nicht zu verwechseln ist der Artikel 4 mit Artikel 5. Letzterer regelt, dass ein Angriff gegen einen Nato-Staat als ein Angriff gegen alle angesehen wird. Er sieht zudem vor, dass sich die Nato-Staaten gegenseitig Beistand leisten.
Putin bietet Hilfe an
Russlands Präsident Wladimir Putin hat unterdessen Hilfe angeboten. Moskau sei bereit, «auf jede erdenkliche Weise» zu einer Lösung beizutragen, sagte Putin in einem Interview, das das russische Staatsfernsehen am Sonntag ausstrahlte. Bereits vergangene Woche hatte ein Kremlsprecher angekündigt, dass Russland sich einbringen wolle.
In einem zuvor schon ausgestrahlten Teil des Interviews hatte Putin zudem Hoffnung auf ein Gespräch zwischen der amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem autoritären belarussischen Machthaber Lukaschenko geäußert. Zuvor hatte Merkel Putin um Hilfe gebeten. Russlands Staatschef hat einen direkten Draht zu Lukaschenko, dem die EU vorwirft, Menschen aus Krisengebieten nach Belarus zu holen, um sie dann nach Europa zu schleusen.
Bittere Kälte an der Grenze
Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt harren Tausende Migranten seit mehreren Tagen auf der belarussischen Grenze in provisorischen Camps im Wald aus. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko wird beschuldigt, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen.
Die belarussische Staatsagentur Belta zeigte erneut Fotos von Menschen, die sich in der Kälte um Lagerfeuer drängen. Im Laufe des Tages sollten demnach weitere Hilfsgüter im Camp ankommen. Auf dem oppositionellen Telegram-Kanal Nexta hieß es, es seien weiterhin größere Migrantengruppen unterwegs von der Hauptstadt Minsk in Richtung polnischer Grenze. Da unabhängige Journalisten nicht dorthin gelassen werden, können die Angaben bislang kaum verifiziert werden.
Bildquelle:
- Migranten aus Belarus: dpa