Partnersuche und Testosteron: „Dick Pics“ verschicken ist kein Zeichen von Männlichkeit!

von DR. PATRICK PETERS

Es macht sich ein fragwürdiger Trend breit: „Männer“ fotografieren ihre erigierten Penisse und verschicken sie ungefragt im Internet an Frauen. Ganz abgesehen davon, dass das ein Straftatbestand ist: Wer Penisbilder verschickt, ist kein Mann, sondern ein peinlicher Rüpel, dem man kein Verständnis oder freundliches Desinteresse entgegenbringen darf.

Die gute Bekannte klagte ihr Leid. Seit einiger Zeit Single, versuchte sie, über Online-Portale und Apps einen neuen Partner zu finden. So weit, so gut, mag man jetzt denken, schließlich verliebt sich doch laut der Werbung alle paar Minuten ein Single in irgendwen auf diesen einschlägigen Plattformen. Im Falle der Kollegin dauern diese Minuten bereits einige Monate. Aber das ist nicht das Problem. Das Fatale ist, wie sich „die Männer“ (die Dame ist bereits bei Verallgemeinerungen des männlichen Geschlechts angekommen) aufführen.

Haben Sie die Meldungen über weibliche Prominente gelesen, die von männlichen Social Media-Nutzern mit Bildern ihrer Geschlechtsteile beglückt werden? Sogar Qualitätsmedien haben darüber berichtet – und auch darüber, dass sich die Betroffenen (Moderatorin Ruth Moschner, Schauspielerin Palina Rojinski) dagegen wehren und die Absender bloßstellen. Offensichtlich ist das Versenden dieser „Dick Pics“ (die Vulgärübersetzung bekommen Sie selbst hin) zu einem Trend unter „Männern“ geworden, der nicht nur landläufig als attraktiv bezeichnete Prominente trifft, sondern auch ganz normale Frauen in ganz normalen Lebenssituationen. Das ist ekelhaft und absolut respektlos, ganz davon abgesehen, dass das unaufgeforderte Versenden von „Dick Pics“ ein Straftatbestand ist.

Die Bekannte kennt nach einigen Monaten auf digitaler Partnersuche schätzungsweise so viele Penisse wie ein Urologe, hat aber nicht darum gebeten, diese in Nahaufnahme kennenzulernen, und schon gar nicht in erigiertem Zustand. Die Kerle, die diese Bildchen ihres Intimbereichs hemmungslos versenden, sind der Überzeugung, dass Frauen (in diesem Falle die Bekannte) sich davon so angemacht fühlen, dass sie an nichts anderes mehr denken können als den Geschlechtsakt mit diesen Vorbildern der Männlichkeit. Schließlich werden die Bilder auch durch eindeutige Texte (die hier nicht wiedergegeben werden sollen) begleitet, in denen deutliche Anliegen an die Frau kommunziert werden.

So weit, so schlimm: Aber das war es noch lange nicht. Mindestens genauso groß wie die Anzahl an Penisbild-Verschickern ist die Zahl der Männer in festen Partnerschaften beziehungsweise Ehen (meistens mit Kindern), die ohne schlechtes Gewissen online eine Nebenbeziehung (vulgo: Affäre) suchen. Klar, eine Frau hat nichts Besseres zu tun, als die zweite Geige für einen Herrn zu spielen, dem sein partnerschaftliches Sexualleben nicht ausreicht. Offensichtlich kursiert diese Meinung bei einem ganzen Haufen von männlichen Zeitgenossen – und dementsprechend verhaltensauffällig geben sie sich auch. Die dem Autor sehr gut bekannte Dame kann von fast einem Dutzend Fällen berichten, in denen sie ganz offen mit dieser geplanten Rolle konfrontiert wurde. Und natürlich auch den allfälligen Beschimpfungen, wenn sie diesem Wunsch – wie erstaunlich – nicht nachzukommen gedachte.

Sie werden sich jetzt (hoffentlich!) fragen, warum „Männer“ so etwas tun (Warum „Männer“ in Anführungszeichen steht, wird weiter unten erklärt.). Barbara Krahé, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Potsdam, hat in einem Interview mit dem Magazin „Spiegel“ folgendes dazu gesagt: „Der Penis, die eigene sexuelle Potenz, gilt traditionell und deshalb bei vielen als der absolute Inbegriff der Männlichkeit. Männer, die meinen, Bilder von ihrem Geschlechtsteil versenden zu müssen, haben ein Problem mit ihrer Männlichkeit: Sie wollen sich selbst vergewissern, wie männlich sie sind und es dann gegenüber Frauen unter Beweis stellen. Sie haben das Bedürfnis, Macht auszuüben: Ich bin ein echter Mann, weil ich entscheide, wo die Grenzen sind – und ich überschreite sie ganz bewusst. Einfach nur, weil ich es kann.“ Und weiter: „Ein Dickpic verschicken die wenigsten, weil sie denken, dass die Empfängerinnen das schön finden. Die Männer senden es aber auch nicht aus Unwissen, aus mangelndem Vorstellungsvermögen davon, wie wohl die Reaktion ausfallen könnte. Die Absender sind sich meist im Klaren darüber, dass dieses Verhalten nicht okay ist. Es trotzdem zu machen, bedeutet Mut, Dominanz.“

Wahrscheinlich wissen Sie jetzt auch, warum ich im Kontext solcher Lebewesen nur von Männern in Anführungszeichen schreiben möchte. Männer machen so etwas nämlich nicht. Frauen mit den Bildern ihrer Penisse belästigen, das tun nur primitive Vollidioten auf dem geistigen Entwicklungsstand eines Weißbrots. „Mut“ als Zeichen solcher billigen, übergriffigen Ereignisse? Wer solches Verhalten als mutig auffasst, sollte schnell einen Duden wälzen. Das Wort „Mut“ stammt aus dem Indogermanischen und bedeutet so viel „sich mühen“, „starken Willens sein“ und wurde im Hochmittelalter mit Hochherzigkeit und Edelmut gleichgesetzt – den Kerneigenschaften der Ritterlichkeit. Was also ist daran mutig, Frauen Penisbilder zu schicken?

Und dann verwundert, wenn Männlichkeit gemeinhin als etwas Schädigendes wahrgenommen wird? Natürlich ist die Ansicht Schwachsinn, denn glücklicherweise ist der weit überwiegende Teil der Männer kein Haufen degenerierter Schwachköpfe, die sich allein über ihren Penis im Internet definieren. Aber der billige Versuch, „männliche Herrschaft“ (Pierre Bourdieu) über die Zurschaustellung der Manneskraft auszuüben, ist äußert schädlich und schändlich. Eben weil er zur doppelten Herabwürdigung der Geschlechter führt: Frauen verallgemeinern alle Männer als Primitivlinge (was sehr gefährlich ist!), und diese männlichen Wesen verhalten sich gegenüber Frauen alles andere als angebracht.

Das klingt sehr hochtrabend und vielleicht ist es gar nicht so eklatant wie hier dargestellt. Fakt ist aber, dass derart prolliges, übergriffiges und eheabschneidendes Verhalten nichts mit Männlichkeit zu tun hat, wie sie sein sollte. Es sind in der abendländischen Kulturgeschichte einige Versuche unternommen worden, das Männlichkeitsbild sehr positiv zu verändern. So sollte im ausgehenden 18. Jahrhundert in Frankreich der neue, der freie Mann („homme libre“) entstehen, der in seiner ganzen Haltung seelisch wie körperlich dem Ideal der Natur am nächsten kommt, reine und offene Freude empfindet und in seinen Gefühlen zart und gut ist. Oder das Bild des galanten, zuvorkommenden, höflichen Mannes, das in der höfischen Literatur des Mittelalters entstanden und seither nie verschwunden ist – es ist nie in, aber auch nie out. Galanterie und ritterliches Verhalten sind über alle Epochen hinweg die Merkmale des echten Mannes, der seine körperliche Kraft nicht zur Unterdrückung, sondern zum Schutz der Familie und des Hauses (und gegebenenfalls des Vaterlandes) einsetzt. Die Literatur- und Kulturgeschichte kennt zuhauf diese Beispiele, wohingegen in der öffentlichen Wahrnehmung leider das Männerbild überwiegt, das alles andere als positiv ist. Eben weil sich einige Angehörige dieses Geschlechts benehmen, als bestünde der einzige Zweck des Kopfes darin, den Hals davor zu schützen, dass es hineinregnet.

Ja, sicher: Der höhere Testosteronanteil bei Männern sorgt für erhöhtes Muskelwachstum, höhere Aggression, mehr Hierarchiedenken und eine stärkere Risikobereitschaft. Diese biologischen Grundlagen werden durch die Erziehung und der sozialen Teilung der Geschlechter verstärkt, wodurch sich Männer und Frauen grundsätzlich voneinander unterscheiden. Körperliche Überlegenheit und mehr Risikoneigung sind aber kein Freibrief für rüpelhaftes Benehmen und solche widerlichen Respektlosigkeiten gegenüber Frauen!

Die Autoren und Coaches Sven Philipp und Martin Rheinländer plädieren daher für einen „liebevollen Kontakt zu der eigenen männlichen Identität“. Und damit haben sie recht! Es geht nicht darum, Männlichkeit abzulegen oder sich dafür zu schämen. Es geht darum, sich der egenen Männlichkeit bewusst zu werden und diese positiv auszustrahlen. „Mannsein bedeutet in unserer Generation vor allem Flexibilität. Es ist die Kraft, durchsetzungsstark, diszipliniert und mutig für seine Ziele einzustehen. Daraus entsteht die männliche Kraft, über sich selbst hinauszuwachsen und Dinge einfach zu machen, anstatt endlos zu denken und zu diskutieren“, heißt es bei Sven Philipp und Martin Rheinländer. Dann sei ein Mann ein Mann – aber nicht dann, wenn er mit der Faust auf den Tisch haue, seine Meinung aggressiv durchsetze und Frauen abwerte, wie die Autoren schreiben. Denn das ist einfach unmännlich, herabwürdigend und peinlich. Wer es als sein Ziel im Leben definiert, andere schlecht zu behandeln oder zu erniedrigen, hat nur unser aller Mitleid verdient.

Und damit kommen wir wieder zu den Versendern von Penisbildern. Sie müssen dringend ihr offensichtlich gestörtes Verhältnis zur eigenen Männlichkeit verändern und sich ihrer Rolle als Mann bewusstwerden. Wofür wollen sie stehen, wie wollen sie wahrgenommen werden? Und welchen Sinn ergibt ihr Verhalten, das ja ganz deutlich von der überwältigenden Mehrheit der Menschen einfach als gänzlich unmöglich angesehen wird? Und ist es männlich, die Partnerin, die Familie um des sexuellen Abenteuers zu hintergehen willen?

Wohl kaum: Es war schon immer Ausweis positiver Männlichkeit, für die Familie einzustehen, was in der öffentlichen Ordnung folgendermaßen definiert ist: „Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat“ und Die Familie ist die natürliche Kernzelle der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat“.

Um zum Punkt zu kommen: Die Gesellschaft WILL diese Art Mann, der seiner Männlichkeit positiv und wertschätzend bewusst ist, sich gerade nicht benimmt wie die Axt im Walde und der Frauen unterdrückt und sei es nur digital. Was wir dagegen tun können? Solchen Geschöpfen die Richtung weisen und nicht aus Höflichkeit oder Harmoniebedürftigkeit mitlachen. Dann sind wir auf einem guten Weg, und die Penisbilder werden weniger.

Bildquelle:

  • Männlichkeit: pixabay

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