MAGDEBURG – Die stark rückläufigen Corona-Infektionszahlen haben den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt auf den letzten Metern vor der Landtagswahl doch noch vom Internet auf die Straßen und Marktplätze des Landes getragen.
Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag kamen noch einmal Spitzenpolitikerinnen und -Politiker von AfD, Linken, SPD und Grünen, um ihre Landesverbände im Endspurt zu unterstützen. Sie hatten allen Grund dazu, die letzten Umfragen sagen für die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl ein spannendes Rennen voraus.
Auch am Samstag wollten noch mehrere Parteien mit Wahlkampfaktionen um die Gunst der Wähler kämpfen: Gut ein Drittel der 1,8 Millionen Wahlberechtigten wusste in einer am Donnerstag veröffentlichten ZDF-Umfrage noch nicht, wen und ob sie wählen. Zwar sahen die meisten Erhebungen Ministerpräsident Reiner Haseloff und seine CDU mit bis zu 30 Prozent in Front. Auch für eine neue Koalition zeichnen sich mehrere Optionen ab. Die AfD lauert in den Umfragen allerdings mit bis zu 28 Prozent auf Platz 2 und könnte sogar erstmals stärkste Kraft in einem Parlament werden.
Zuletzt sah eine am Freitag veröffentlichte Umfrage des Instituts Insa im Auftrag der «Bild»-Zeitung ein Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU (27 Prozent) und AfD (26 Prozent). Die Partei wird in Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet.
2016 hatten die Umfragen die AfD, die schließlich 24,3 Prozent erreichte, unterschätzt. AfD-Chefin Alice Weidel traut ihren Parteifreunden die Sensation zu. Spitzenkandidat Oliver Kirchner sieht in der sich abzeichnenden hohen Wahlbeteiligung in den Städten aber ein schlechtes Zeichen. Dort hatte die AfD 2016 zwar auch gut abgeschnitten, aber schwächer als auf dem Land. Mit Weidel, Tino Chruppalla und Björn Höcke tourten mehrere Partei-Rechte durchs Land.
Auch die CDU bezieht ihre Stimmen aber vor allem aus dem ländlichen Raum, wo mehr als drei Viertel der Sachsen-Anhalter wohnen. Von einer hohen Wahlbeteiligung würden demnach eher die linken Parteien profitieren, die im Zweikampf um den Wahlsieg aber keine Rolle spielen dürften. Neben dem höchsten Anteil bei den Zweitstimmen bangt die CDU aber auch um ihre Dominanz bei der Erststimmen. Schon 2016 hatte die AfD 15 Direktmandate gewonnen, obwohl sie nicht ein mal in allen 43 Wahlkreisen Kandidaten aufgestellt hatte. In den nun 41 Wahlkreisen treten am Sonntag überall AfD-Kandidaten an.
Die größten Verluste sahen Umfragen zuletzt bei der Linken, die hinter die SPD auf Platz vier zurückfallen könnte. Spitzenkandidatin Eva von Angern hatte im Wahlkampf mit einer kontroversen Kampagne das Thema der Ungleichheiten zwischen Ost- und Westdeutschen besetzt, konnte das aber nicht in gute Umfragewerte umsetzen.
Die SPD, die 2016 mehr als die Hälfte ihrer Stimmanteile eingebüßt hatte, kann nach den Befragungen mit einem relativ stabilen Ergebnis im Vergleich zu 2016 rechnen. Auch die Sozialdemokraten, die in Magdeburg seit 15 Jahren mitregieren, hatten im Wahlkampf eine andere Ost-Politik gefordert. Spitzenkandidatin Katja Pähle lud dafür unter anderem Kanzlerkandidat Olaf Scholz, General und Parteichefin Saskia Esken zu einem «Ostkonvent» nach Halle ein.
Wie auch bei der Bundestagswahl hoffen die Grünen bei der Wahl in Sachsen-Anhalt auf deutliche Zugewinne. 2016 waren sie nur knapp in den Landtag eingezogen, am Sonntag könnten sie sogar ein zweistelliges Ergebnis erreichen und wären im Falle einer Fortsetzung der Kenia-Koalition damit auf Augenhöhe mit der SPD. Wahlziel von Spitzenkandidatin Cornelia Lüddemann ist es, in der nächsten Landesregierung eine striktere Klimaschutzpolitik durchzusetzen.
Große Hoffnungen setzt die FDP in die Wahl, der alle Umfragen eine Rückkehr in den Magdeburger Landtag nach zehn Jahren zutrauen. Spitzenkandidatin Lydia Hüskens stünde für eine Regierungsbeteiligung bereit. Die Liberalen könnten anders als 2016, als die Partei weder im Landtag noch im Bundestag war, am Sonntag auch vom derzeit hohen Zuspruch für die Bundespartei profitieren.
Damit stünde Haseloff sogar ein dritter möglicher Koalitionspartner zur Verfügung. Das dürfte die Regierungsbildung nicht gerade beschleunigen. Der derzeitige Landtag hat das schon kommen sehen und eine zweiwöchige Frist zur Regierungsbildung ersatzlos gestrichen.
Bildquelle:
- Wahlplakate: dpa