von DIETRICH KANTEL
Dienstag, der 15. April vor 35 Jahren. Gegen zwei Uhr morgens erreichen 18 Schwenkflügelbomber vom Typ F-111 den libyschen Luftraum über Tripolis und Bengasi. Aufgestiegen waren sie zuvor in den Abendstunden vom US-Luftstützpunkt Lakenheath, Grafschaft Suffolk, 80 Meilen nordwestlich von London. Nach einem weiten Umweg über Gibraltar – Frankreich hatte dem US-Bombergeschwader den Überflug verweigert – stießen über dem Mittelmeer 15 auf US-Flugzeugträgern stationierte Jagdbomber vom Typ A-6E zu ihnen. Die Maschinen hatten zusammen 60 Tonnen Munition geladen. Zwölf Minuten lang bombardieren die Verbände Ziele in Libyens Hauptstadt Tripolis und in der Hafenstadt Bengasi. Nach kaum einer halben Stunde drehen die Flugzeuge wieder ab. Die Operation „El Dorado Canyon“ war beendet.
Es wurden Kasernen, Hafenanlagen, der militärische Teil des Flughafens Tripolis, die Residenz des libyschen Staatschefs und in Bengasi ein libyscher Luftwaffenstützpunkt bombardiert. Auch einige Wohngebäude wurden schwer getroffen. Bis zu 100 Menschen starben bei den Angriffen.
Discothek La Belle – Ein Vergeltungsschlag
Zuvor in West-Berlin, 5.April 1986: In den Abendstunden detoniert in der von US-Soldaten stark frequentierten Discothek „La Belle“ unmittelbar an der Tanzfläche ein mit Eisenteilen präparierter Sprengsatz. Zwei junge US-Soldaten werden getötet und eine 28-jährige Türkin. Fast allen Besuchern platzen die Trommelfelle. Mehrere Gäste verlieren Gliedmaßen oder erleiden Verbrennungen. Insgesamt erlitten etwa 200 Menschen Verletzungen.
Auf der Grundlage von Geheimdiensterkenntnissen macht der amerikanische Präsident Ronald Reagan wenig später den libyschen Staatschef Oberst Gaddafi für den Anschlage auf die Berliner Discothek verantwortlich. Im amerikanischen Fernsehen erklärt Reagan noch am 15. April den Amerikanern, dass der „Herrscher des Reiches des Terrors“ eine unmissverständliche Warnung erhalten habe: „Heute haben wir getan, was getan werden musste. Wenn nötig, werden wir es wieder tun“.
Bei der Bombardierung der Residenz von Gaddafi seien libyschen Medien zufolge eine Adoptivtochter ums Leben gekommen, Gaddafis Ehefrau und weitere Kinder seien verletzt worden. Der libysche Staatschef überstand den Angriff unbeschadet. US-Medien zufolge sei Gaddafi kurz vor dem Luftangriff vom (sozialistischen) italienischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi und dem (sozialdemokratischen) maltesischen Ministerpräsidenten Bonici gewarnt worden. Die Mitteilung habe gelautet, dass „unauthorisierte“ Flugzeuge sich der libyschen Küste nähern würden.
Lybische Verstrickung verfestigt sich und die Stasi wusste Bescheid
Nach jahrelangen Ermittlungen der West-Berliner Strafermittler, einem geplatzten Prozess, weil ein libyscher Hauptbelastungszeuge nicht nach Deutschland kommen wollte, weil er um sein Leben fürchtete, wurde schließlich 1996 der mutmaßliche Dratzieher des Anschlages auf La Belle, der Palästinenser von Libyen nach Deutschland ausgeliefert. 1997 beginnt der Strafprozess vor dem Berliner Landgericht gegen ihn, einen Libyer, einen weiteren Palästinenser mit deutscher Staatsbürgerschaft und zwei deutsche Frauen. Fünf weitere Beschuldigte wurden von Libyen nicht ausgeliefert. Am 20.April 2000 legt der angeklagte Palästinenser Ali Ghana ein Teilgeständnis ab: Das Attentat sei eine Vergeltung auf einen früheren Anschlag der Amerikaner gewesen. Er sei bei dem Bau der Bombe mit zwei weiteren Mitangeklagten anwesend gewesen. Er selber habe die Stasi in Ost-Berlin über den bevorstehenden Anschlag informiert.
2001 wird ein Angehöriger des libyschen Geheimdienstes wegen des Bombenanschlages zu lebenslanger Haft verurteilt.
2004 einigen sich deutsche Opferanwälte mit Gaddafis Sohn Saif über dessen formal unabhängige Entwicklungsstiftung auf Entschädigungszahlungen in Höhe von 28,4 Millionen Euro.
Am 4.6.2014 bestätigt ein Bericht der Berliner Polizei aus der Analyse von Stasi-Akten, dass diese von einem Informellen Mitarbeiter (IM) vorab über den bevorstehenden Anschlag auf „La Belle“ informiert war.
Bildquelle:
- F-111_Schwenkflügelbomber: fighterjetsworld.com