Nordkoreas Schwäche ist gleichzeitig seine Stärke

von TORSTEN HEINREICH

Auch wenn die Regierung Trump durch das Telefonat mit der Präsidentin Taiwans einen schlechten Start mit Rotchina gehabt haben mag, lauten die Erklärungen nun, man wolle zusammen mit der Volksrepublik China arbeiten, wenn es um Nordkorea geht. Das stalinistische Regime von Kim Jong-Un verhält sich immer irrationaler, was auch dem großen Nachbarn im Norden schon länger erheblich missfällt. Allerdings sind die Möglichkeiten beider Staaten äußerst gering, auf Nordkorea einzuwirken.

Nordkorea ist schwach. Die Wirtschaft Nordkoreas ist nicht einmal für den Eigenbedarf genügend, die Bevölkerung immer nahe an der Hungersnot. Sein Militär ist extrem groß, technologisch aber auf dem Stand der 1970er oder 1980er stehen geblieben. Daran ändern auch ein paar Kernwaffen und letzte Fortschritte in der Raketentechnologie, die langsam einsatzbereite Interkontinentalraketen und erfolgreiche Tests von SLBMs, also von U-Booten gestartete ballistische Raketen, nichts. Und während die nordkoreanische Artillerie die Hauptstadt Südkoreas aus über 10.000 Rohren beschießen kann, gibt es wenig Zweifel, wie ein militärischer Konflikt ausgehen würde: Mit einer völligen Niederlage Nordkoreas.

Während das Regime Kims praktisch wöchentlich Kriegsdrohungen gegenüber dem demokratischen Süden, Japan und den USA äußert, ist die tatsächliche Gefahr überschaubar. Kommandoaktionen, einzelne Artillerieüberfälle und Sabotageakte sind möglich, aber eine erneute Offensive des Nordens in Richtung Süden scheint unwahrscheinlich. Auch ein Einsatz nuklearer Waffen bei einem Angriff kann praktisch ausgeschlossen werden, da das Regime mit nuklearen Gegenschlägen rechnen müsste, die das Land völlig zerstören würden.

An sich hat China also große Einflussmöglichkeiten gegenüber dem Nachbarland, das von Importen aus dem Norden abhängig ist. Handelsembargos, der Stopp der Lieferung von Treibstoff und Waren, könnte erheblichen Druck ausüben. Allerdings ist der Regierung Nordkoreas das Leiden ihres Volkes offensichtlich völlig gleichgültig, womit ein dahingehender Druck verpufft. Sollte der Druck auf die Regierung und die Eliten, sowie das Militär, jedoch zu stark werden, droht das System und mit ihm das Land kollabieren.

Was sich zunächst wünschenswert anhört, ist jedoch der Albtraum der VR China. Nicht nur, dass die mit den USA verbündeten Südkoreaner, ja möglicherweise sogar die US-Truppen selbst anschließend am Grenzfluss Yalu stehen könnten; der völlige Zusammenbruch des Nachbarlandes würde gleichzeitig unkalkulierbare Risiken bedeuten.

Millionen Waffen, darunter tausende Raketen und Kernwaffen, liegen einsatzbereit in Nordkorea auf Lager. Ein zusammenbrechendes Regime kann immer sein Heil in einer Flucht nach vorne suchen und einen Krieg auslösen, wie so viele andere im Scheitern begriffene diktatorische Regimes vor ihm. In diesem Fall droht der Einsatz von Kernwaffen an Chinas Grenzen. Millionen Flüchtlinge würden ins Land strömen und die Grenzregion destabilisieren.

Das Land könnte seinen Paria-Status vollends auskosten und seine Waffenexporte noch hemmungsloser durchführen und möglicherweise nicht nur die Technologie für Kernwaffen, sondern sogar die Waffen selbst verkaufen. An jeden, der bezahlt, ob staatlicher Akteur oder Terrororganisation. Schon in der Vergangenheit hatte Nordkorea Syrien bei dem Bau einer Atomanlage geholfen und bei jedem der nordkoreanischen Nuklearwaffentests sollen iranische Wissenschaftler und Offiziere anwesend gewesen sein.

Während die Volksrepublik China also ein großes Interesse an einem weniger tollwütig agierenden Nordkorea hat, ist die inhärente Schwäche des dortigen Systems seine größte Stärke. Das Risiko eines Zusammenbruchs bei zu harten Strafen Pekings gegenüber Pjöngjang ist zu groß, als dass China es einzugehen bereit wäre. Auch in Südkorea fürchtet man sich vor den Konsequenzen eines solchen Zusammenbruchs, selbst wenn er eine Wiedervereinigung zu Folge hätte. Nordkorea kann daher mit seinem irrational wirkenden Verhalten vielmehr alle anderen Staaten erpressen, indem es eine Mäßigung für den Fall von Hilfslieferungen in Aussicht stellt. Eine tatsächliche und dauerhafte Lösung scheint daher in absehbarer Zeit ausgeschlossen zu sein.

Bildquelle:

  • Nordkorea: pixabay

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.