Nicht bloß Pflaster verteilen, sondern Probleme an der Wurzel angehen

Liebe Leserinnen und Leser,

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) befürchtet wegen der drastischen Preissteigerungen wachsende Kinderarmut in Deutschland. Und Sie hat – Politikerin und grüne Etatistin – versprochen, dass es weitere Entlastungen für die Bürger geben soll. Vermutlich für die, die ohnehin wenig Geld haben, weil die mit dem vielen Geld sind bereits im Ausland oder sitzen auf gepackten Koffern.

An welchem Punkt ist das passiert, dass sich die Politiker, die uns regieren, die wir gewählt haben, kein Interesse mehr an ihrem Volk hatten, oder sagen wir: nur wenig Interesse?

Statt über die Energiekosten und die Armutsspirale, die Preise für Kraftstoff und Lebensmittel zu klagen, über die Gasumlage, könnten die Herrschaften solche Probleme doch einmal grundsätzlich angehen, oder?

Ich meine, mir ist der Gedanke schon 2016 gekommen, als irgendwer zusammengerechnet hat, dass die Bundesrepublik für die aufgenommenen Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Afghanistan und Nordafrika über 30 Milliarden Euro im Jahr aufwendet. Oder anders formuliert: wir als Steuerzahler aufwenden. „Refugees welcome“ und so, kann man machen, wenn die Mehrheit das will. Aber plötzlich war es möglich, für Hunderttausende Neubürger Wohnraum zu organisieren – zugegeben, provisorisch teilweise auch in Großzelten und Messehallen. Alle wurden versorgt, städtische Sozialarbeiter und Hilfsorganisationen kümmerten sich mit großem Engagement darum, dass es irgendwie klappt, dass diese Leute in einen menschenwürdigen Rahmen eingebettet werden, der einem Land wie Deutschland angemessen ist.

Und damals kam mir irgendwann der Gedanke: Wenn unserem Staat so etwas möglich ist, innerhalb von Monaten, das Geld und die organisatorische Gemeinschaftsaufgabe zu wuppen, warum war das in den Jahrzehnten vorher zum Beispiel nicht auch mit den wenigen Zehntausenden Obdachlosen in Deutschland möglich? Die man da sieht vor dem Kaufhaus in einer Fußgängerzone, schlafend, in Decken eingewickelt, die Habseligkeiten in drei Aldi-Plastiktüten gestopft. Man geht vorbei und denkt, diese armen Menschen. Unser Staat wird sich schon kümmern. Aber das tut er gar nicht, unser Staat. Klar, wenn jemand vor dem Sozialdienst-Büro, der Wärmestube oder dem Pfarrhaus steht, dann gibt es Hilfe für einen Tag, dann gibt es einen 50er, ein Schnitzel und ein Bett. Aber wer kümmert sich um Probleme wie Obdachlosigkeit, prekäre Lebensverhältnisse in Wohnsilos der RTL 2-Familien mit „Frauentausch“-Anschluss oder jetzt – noch viel schlimmer – die Kinderarmut? Wer löst das grundsätzlich, wer kümmert sich auch um die Deutschen, die durchs Gitter gerutscht sind?

Früher, vor der Flüchtlingskrise, hieß es dann immer: Wie sollen wir das bezahlen? Die Staatskassen sind leer. Und dann sind 30 Milliarden im Jahr plötzlich kein Problem. Oder was hat die Euro-Staatsschuldenkrise gekostet, wie viele Milliarden wurden im wahrsten Sinne des Wortes „verbrannt“? Corona, Impfstoffe kaufen, Stützkredite für Großkonzerne, acht Milliarden jedes Jahr für den überflüssigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Schlesingers Massagesitze inklusive. Wissen Sie, dass 70 Prozent der Spritpreise nicht an die Ölmultis und die bösen kapitalistischen Tankstellenbetreiber fließen, sondern an Herrn Lindner und sein Ministerium? Die könnten die explodierenden Spritpreise halbieren mit einem einzigen Beschluss nächsten Montag.

Die Bundeswehr bekommt jetzt 100 Milliarden Sondervermögen, um aus der Operettenarmee eine schlagkräftige und moderne Truppe zu machen. Gut so, ich bin zu 100 Prozent dafür, nachdem man den Laden bis zur Lächerlichkeit runtergewirtschaftet hat. Nun sehen alle, wie wichtig es ist, in dieser Welt der Putins, Kims und Xis auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Aber es wäre besser gewesen, frühere Regierungen hätten schon in den vergangenen Jahrzehnten jedes Jahr 10 Milliarden mehr für unsere Streitkräfte ausgegeben hätten. Dann bräuchte es solcher Kraftakte gar nicht.

Kinderarmut? Obdachlosigkeit? Hier in Deutschland? Im besten Deutschland, in dem zumindest Frau Göring-Eckhardt gut und gerne leben kann, die sich über die bunte Gesellschaft freut. Im Jahr 2022? Das kann nicht sein, das darf nicht sein. Wo ist eigentlich ein Politiker und eine Partei, die sich um diese Probleme grundsätzlich kümmert und nicht nur Geld verteilt, wenn die Not gerade mal wieder besonders groß ist.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.