Neue Provokation im Mittelmeer: Türkei schickt Bohrschiff los

ARCHIV - 2020 unternahm das türkische Bohrschiff «Oruc Reis» südlich der Insel Rhodos Erkundungsfahrten. Foto: Ibrahim Laleli/DHA/AP/dpa

ISTANBUL/ATHEN – Die Türkei will erneut ein Gas-Bohrschiff zu Erkundungsfahrten ins Mittelmeer entsenden. Die «Abdülhamid Han» soll am Dienstag von Präsident Recep Tayyip Erdogan losgeschickt werden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ziel und Route sind bisher nicht bekannt.

Türkische Erdgaserkundungen beobachtet vor allem der Nachbar Griechenland ganz genau – auch weil die Türkei in der Vergangenheit nicht davor zurückschreckte in Gebieten zu forschen, die Athen für sich beansprucht. Angesichts der Tatsache, dass die Beziehungen sich auf einem Tiefpunkt befinden, erscheint die Mission besonders heikel.

2020 gerieten die beiden Länder an den Rande einer militärischen Auseinandersetzung. Damals unternahm das türkische Bohrschiff «Oruc Reis» südlich der Insel Rhodos Erkundungsfahrten, teilweise von Kriegsschiffen eskortiert. Die griechische Marine wurde mobilisiert. Erst mit der Abfahrt der «Oruc Reis» aus den umstrittenen Gebieten beruhigte sich die Lage.

Territoriale Spannungen

Hinter dem Konflikt stehen territoriale Uneinigkeiten: Griechenland bezichtigte die Türkei damals, die Vorkommen illegal zu erkunden. Die Regierung in Ankara vertrat den Standpunkt, dass die Gewässer zum türkischen Festlandsockel gehörten.

Das Seerecht der Vereinten Nationen (UN) legt für Küstenländer eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) fest. In dieser 200-Meilen-Zone hat ein Staat demnach das alleinige Recht zur Ausbeutung von Bodenschätzen. Liegt die Küste eines anderen Landes näher, gilt die Mittellinie. Griechische Inseln, die nahe an der türkischen Küste liegen, verringern also die türkische AWZ enorm. Die Türkei argumentiert – teilweise gestützt auf Lesarten internationalen Rechts – dass Inseln keine AWZ haben. Ankara verteidigt die Erkundungen daher als legitim.

Athen verweist auf internationales Recht

Ob das Schiff nun tatsächlich in umstrittene Gewässer fährt, ist unklar. Die griechische Regierung hält sich bisher bedeckt. Man habe sich zu diesem Thema ausreichend geäußert und immer wieder angemahnt, dass in dem Konflikt mit dem Nachbarland internationales Recht gelte und die Souveränität eines jeden Landes respektiert werden müsse, heißt es aus Regierungskreisen. Dieselben Kreise berichten auch, dass Regierung und Militär längst alle möglichen Szenarien der Route der «Abdülhamid Han» analysiert und durchgespielt hätten.

Würde das Schiff die ausschließliche Wirtschaftszone Griechenlands verletzen, werde Athen demnach so reagieren wie im Sommer 2020. Gleichzeitig betonte Premier Kyriakos Mitsotakis zuletzt immer wieder seine Gesprächsbereitschaft. Könne man den Konflikt jedoch nicht bilateral regeln, müsse das Thema vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag geklärt werden.

Die Türkei, die auf Gasimporte angewiesen ist, sieht sich seit langem von der geplanten Ausbeutung von Rohstoffen in der Region ausgeschlossen. Im östlichen Mittelmeer wurden bereits große Gasvorkommen entdeckt. Experten erwarten weitere Funde. Ob die Ausbeutung allerdings überhaupt wirtschaftlich und mit klimapolitischen Zielen vereinbar ist, ist stark umstritten. Vor dem Hintergrund des Ringens westlicher Staaten um Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen, gewinnt jedoch auch das Mittelmeer wieder an Interessenten, auch als Transitraum.

Bildquelle:

  • Türkisches Forschungsschiff «Oruc Reis»: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.