von KLAUS KELLE
STUTTGART – Rund 15.000 Menschen, größtenteils ohne Masken und Mindestabstand, versammelten sich gestern bei einer Kundgebung der «Querdenken»-Bewegung gegen die Corona-Politik- Nun wird kritisiert und instrumentalisiert, was das Zeug hält und von allen Seiten. Dabei war es eigentlich nur eine ganz normale friedliche Demonstration.
Zunächst die Stadt Stuttgart, der von linker Seite vorgeworfen wird, die Veranstaltung nicht verboten zu haben. Zehn unterschiedliche Kundgebungen waren angemeldet, hunderte Beamte im Einsatz. Und die verhielten sich absolut zu recht deeskalierend. Das Konzept der Deeskalation stammt ja aus Berlin und besagt, dass bei großen Aufmärschen die Polizei nicht durch zu brutales Eingreifen oder zu martialischem Auftretens zur Eskalation der Lage beisteuern soll. Das ergibt Sinn, aber dass die gleichen Leute dann, wenn es um eine vermeintlich „rechte“ Demo geht, hartes Einschreiten des Staates fordern, ist geradezu lächerlich.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kritisierte die Kundgebung der «Querdenken»-Bewegung scharf. Alle hätten das Recht zu demonstrieren, schrieb der SPD-Politiker am Samstagabend auf Twitter. Aber er wäre kein SPD-Politiker, wenn sich nicht ein dickes ABER anschlösse. Tausende ohne Maske und Abstand und so. Irgendwie habe ich nicht in Erinnerung, dass er das bei dem jüngsten Fridays-fot-Future-Aufmarsch in Köln auch bemängelt hätte. Es scheint, dass es ihm nur darum geht, die politische störende Querdenker-Demo zu kritiseren, keineswegs aber vorrangig um den Schutz der Bevölkerung.
Ins gleiche Horn stieß Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Der versprach, alles tun zu wollen, dass „sich solche Versammlungen wie am Samstag nicht wiederholten!. Und weiter: «Das, was gestern passiert ist, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich an die Pandemieregeln halten.“
Ernster nehmen muss man da, dass es wohl vereinzelt Übergriffe auf Journalisten gab. Eine Beeinträchtigung der Presse- und Meinungsfreiheit ist durch nichts zu rechtfertigen. Es ist zu hoffen, dass es gelingt, diese Irren ausfindig zu machen, die damit der Intention der Querdenker einen Bärendienst erweisen.
Die Polizei hatte am Samstag stundenlang zunächst gar keine genauen Zahlen genannt und am Ende des Tages von mehr als 10 000 Menschen gesprochen. Mehr als 1000 Polizisten waren im Einsatz. Die Beamten wurden unterstützt von der Bundespolizei sowie von Polizisten aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen. Zwei Wasserwerfer standen laut Maier bereit. Laut Polizei wurden 254 Corona-Verstöße geahndet.
«Wenn die Polizei die Versammlung auf Geheiß der Versammlungsbehörde aufgelöst hätte, hätte sie versuchen müssen, 15.000 Menschen nach Hause zu schicken», sagte Maier. Diese wären aber nicht freiwillig gegangen. Die Polizei hätte massiv Gewalt einsetzen müssen. All das sei durchgespielt worden in Gesprächen mit der Polizei. «Wir können die Stadt nicht abriegeln.»
Eine Frage, die sich die Politiker stellen müssten, warf Stuttgarts Oberbürgermeister auf, der rhetorisch fragte, warum die Menschen eigentlich keine Masken tragen wollten. Und weiter: «Warum erreicht die Politik Teile der Gesellschaft nicht? Das ist das eigentliche Problem.»
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) ging mit der Stadt hart ins Gericht. «Das versteht keiner – auch wir nicht. Während in anderen Teilen des Landes die Versammlungsbehörden und die Polizei hart und konsequent reagiert und agiert, scheint es so, dass in Stuttgart alles möglich ist», sagte Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft am Sonntag.
Solche Demonstrationen könnten verboten werden. Die Zuständigkeit für ein Verbot liege bei der Stadt, die Polizei werde aber kritisiert, weil sie nicht eingeschritten sei. «Offensichtlich scheint es ein Missverständnis zu geben, wenn die Stuttgarter Stadtverwaltung und damit die Versammlungsbehörde sich um klare Entscheidungen drückt und der Polizei dann den Mist vor die Füße kippt.»
Bildquelle:
- Demonstration in Stuttgart: dpa