BERLIN/DÜSSELDORF – Nach dem Desaster bei der Bundestagswahl bahnt sich bei der Union der erste innerparteiliche Machtkampf an. Am Dienstagnachmittag wollte die Fraktion zu ihrer ersten Sitzung zusammenkommen. Dabei wird üblicherweise auch der neue Vorsitzende gewählt.
Die Chefs von CDU und CSU, Armin Laschet und Markus Söder, arbeiten angeblich an einer kurzfristigen Kompromisslösung für die Wahl des Unionsfraktionsvorsitzenden. Es solle bis zur geplanten Wahl am Abend eine einvernehmliche Lösung geben, die alle mittragen könnten. Damit soll eine Kampfkandidatur bei der Abstimmung verhindert werden. Neben dem bisherigen Fraktionschef Ralph Brinkhaus war in der Diskussion, dass auch Jens Spahn, Norbert Röttgen und Friedrich Merz für das Amt kandidieren.
Der bisherige Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) ist offensichtlich nicht bereit, das Amt nur kommissarisch weiterzuführen, sondern will sich – wie üblich – für ein Jahr wählen lassen. Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet hatte am Montag angekündigt, gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder vorzuschlagen, den Fraktionsvorsitz erst einmal nur vorübergehend zu bestimmen – zum Unmut von Brinkhaus.
Söder erklärte allerdings am Vorabend in der ARD, mit Brinkhaus habe die CSU «sehr gute Erfahrungen» gemacht. «Es gäbe auch Andere, aber das wäre eine Option.» Möglicherweise werde es einen gemeinsamen Vorschlag beider Parteivorsitzenden geben. Söder plädierte dafür, «Klarheit» für die Fraktion zu schaffen. «Es wäre vielleicht ganz gut, wenn wir da eine klare Linie haben, dass das nicht nur für ein paar Tage gilt, sondern für länger.»
Aus einer Gruppe von etwa einem Dutzend Unions-Abgeordneter, die seit 2017 im Parlament sind (Gruppe 17), erhielt Brinkhaus am Dienstag in Berlin deutliche Unterstützung für sein Ziel, sich wie üblich für ein volles Jahr bestätigen zu lassen. Aus der baden-württembergischen CDU hieß es dagegen nach Gremienberatungen, Brinkhaus solle unter keinen Umständen regulär gewählt werden. Die Sitzung soll um 17.00 Uhr beginnen. Der Vorsitz der CSU-Landesgruppe steht derweil schon fest. Alexander Dobrindt wurde im Amt bestätigt.
Kritik an Laschet
Laschet hatte im Vorfeld der Bundestagswahl erklärt, er gehe «ohne Rückfahrkarte» nach Berlin – auch, wenn er nicht Kanzler werde. Sollte die Union auf der Oppositionsbank landen, wäre der Fraktionsvorsitz der einzige wichtige Posten, der zu vergeben wäre. Nachdem Laschet die CDU bei der Bundestagswahl zu einem historisch schlechten Ergebnis hinter der SPD geführt hat, sieht er sich mit immer mehr Kritik konfrontiert.
Hierin stimmte am Dienstag auch der CDU-Wirtschaftsflügel im Südwesten ein. Die CDU brauche «eine rasche inhaltliche und personelle Erneuerung» in Bund und Land. Das «zweite desaströse Wahlergebnis nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg» stelle das Überleben der CDU als Volkspartei in Frage, teilte die Mittelstands- und Wirtschaftsunion Baden-Württemberg (MIT) in Stuttgart mit.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stellte in der Sendung «Frühstart» von RTL/ntv klar, dass die Union keinen Auftrag habe, die Regierungsbildung voranzutreiben. Er gratulierte SPD, Grünen und FDP zu deren Abschneiden bei der Bundestagswahl. Mit Blick auf mögliche Jamaika-Sondierungen mit Grünen und FDP sagte Altmaier: «Wir formulieren keinen Regierungsanspruch, der gottgegeben ist, aber wir entziehen uns nicht unserer staatspolitischen Verantwortung.»
Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier unterstrich: «Wir haben keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung.» Junge-Union-Chef Tilman Kuban sagte: «Wir haben die Wahl verloren. Punkt.» Der klare Auftrag liege bei SPD, Grünen und FDP.
Obwohl die Union auf 24,1 Prozent abstürzte, hofft Laschet immer noch, mit einem Bündnis aus Grünen und FDP ins Kanzleramt einziehen zu können. Allerdings wächst der Widerstand gegen diese Strategie. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) sieht die Verantwortung für die Niederlage bei Laschet. «Die CSU ist für diese Niederlage nicht verantwortlich», sagte er der «Rheinischen Post».
Rückendeckung aus NRW
Nordrhein-Westfalens Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) schaltete sich ebenfalls in die Diskussion ein. «Für Armin Laschet gibt es hier immer Rückenwind», sagte Laumann am Dienstag vor Beginn einer CDU-Fraktionssitzung im Landtag in Düsseldorf. «Wir wissen, was wir an ihm haben. Wir halten ihn für einen guten Mann, und wir sind auch nach wie vor der Meinung, dass er ein guter Bundeskanzler würde», betonte Laumann. «Niemand kennt ihn besser wie die CDU Nordrhein-Westfalen.»
Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) fordert Geschlossenheit. «Die Union sollte in Geschlossenheit über die nähere Zukunft diskutieren. Für das Wahlergebnis tragen wir alle Verantwortung», sagte sie in Berlin. «Und in diesem Geiste sollten wir auch über die ohne Zweifel sehr dringende Frage sprechen, welche Konsequenzen zu ziehen sind.» Karliczek sagte weiter: «Unions-Wählerinnen und -wähler wollen, dass wir uns in eine Regierung einbringen und sie im Zweifel auch anführen, wenn es in Frage kommt», sagte sie. «In der Opposition können wir den Menschen, die uns gewählt haben, jedenfalls schlechter dienen als in einer Regierung.»
Die CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner ruft ihre Partei zur Mäßigung auf. «Wir sind eine staatstragende Partei, dazu gehört nicht Kopflosigkeit, sondern Berechenbarkeit», sagte die scheidende Landesvorsitzende von Rheinland-Pfalz der «Rheinischen Post». Eine Aufarbeitung der Wahl und eine Erneuerung des Parteiauftretens seien angesichts des Ergebnisses unumgänglich. «Wovon ich aber nichts halte, ist jetzt ohne Plan das Dach abzudecken und die Wände einzureißen», betonte Klöckner.
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- Nach der Bundestagswahl: dpa