BERLIN – Ungeachtet immer neuer Höchststände bei den Infektionszahlen ist der Weg für ein Ende der meisten bundesweiten Corona-Beschränkungen in Deutschland frei.
Der Bundesrat ließ am Freitag unter offenem Protest ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz passieren, das deutlich weniger allgemeine Schutzregeln im Alltag ermöglicht. Bei den Beratungen wurde erneut schwerwiegende Kritik an den Plänen und am Vorgehen der Ampel-Koalition laut.
Die neue Rechtsgrundlage soll von diesem Sonntag an gelten, weil die jetzige am Samstag ausläuft. Zur Pandemie-Kontrolle möglich sind den Ländern damit noch wenige allgemeine Vorgaben zu Masken und Tests in Einrichtungen für gefährdete Gruppen wie Kliniken und Pflegeheimen. In Bussen und Bahnen soll weiterhin Maskenpflicht gelten können.
Für regionale Hotspots sollen aber weitergehende Beschränkungen möglich sein, wenn das Landesparlament für diese eine besonders kritische Corona-Lage feststellt. Alle Länder wollen zunächst noch eine vorgesehene Übergangsfrist nutzen und aktuell geltende Schutzregeln bis längstens zum 2. April aufrechterhalten.
Nach heftigem Schlagabtausch
Im Bundestag votierten 364 Abgeordnete für die Neuregelungen, 277 lehnten sie ab, zwei enthielten sich. Nach einem heftigen Schlagabtausch hatten in zweiter Lesung SPD, FDP und Grüne dafür gestimmt – alle anderen dagegen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte erneut die künftigen Regeln. Es handele sich um einen «schweren Kompromiss». Man müsse aber die rechtliche Lage beachten. Durch die aktuelle Omikron-Virusvariante sei eine flächendeckende Kliniküberlastung nicht mehr zu befürchten.
Im Bundesrat beklagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier das Vorgehen des Bundes und die Regelungen in der Sache. «Das Verfahren ist unsäglich und schlichtweg unwürdig», sagte der CDU-Politiker. Es habe keine Abstimmung mit den Ländern gegeben, die Bundesregierung habe das nicht gewollt. Lauterbach fürchte öffentlich Schlimmstes und lege gleichzeitig so ein Lockerungsgesetz vor. Dies untergrabe die Akzeptanz. Zudem gebe es keine klaren Kriterien zur Definition eines Hotspots. Bereits in der Runde von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten am Donnerstag war breite Empörung laut geworden.
Wichtiger Schritt Richtung Normalität
Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus sagte, die Neuregelungen seien «ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität, aber bei gleichzeitiger Handlungsfähigkeit». Die Situation sei nun eine andere als vor zwei Jahren. Trotz «riesiger Inzidenzen» gebe es weniger Fälle auf den Intensivstationen. Die Grünen machten erneut Unzufriedenheit deutlich. Es sei kein Geheimnis, dass sie sich mehr gewünscht hätten, sagte die Fachpolitikerin Kirsten Kappert-Gonther. Auf die Länder komme nun eine große Verantwortung zu, die vorgesehene Übergangsfrist und Regelungen für Hotspots zu nutzen. «Wenn die neuen Maßnahmen nicht ausreichen werden, müssen wir nachsteuern.»
Die Union kritisierte die Neuregelungen scharf. Sie erzeugten ein Wirrwarr, sagte der CDU-Fachpolitiker Tino Sorge. Die Koalition habe nicht geklärt, wann genau eine Kliniküberlastung drohe. Dies ist das von der Ampel vorgesehene hauptsächliche Kriterium dafür, dass die Länder selbst für Hotspots weitere Maßnahmen beschließen können.
Die Virus-Ausbreitung beschleunigte sich erneut. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg laut Robert Koch-Institut (RKI) auf den Höchststand von 1706,3 – nach 1651,4 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen am Vortag. Die Gesundheitsämter meldeten 297 845 neue Fälle an einem Tag, registriert wurden 226 Todesfälle. Die Zahl der in Kliniken gekommenen Corona-Infizierten je 100 000 Einwohner in sieben Tagen gab das RKI mit 7,58 an (Mittwoch: 7,45).
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- Bundestag: dpa