MÜNCHEN – Vor dem Oberlandesgericht in München hat es gestern auch nach stundenlanger Verhandlung keine Einigung zwischen der deutschen Rekord-Olympiasiegerin Claudia Pechstein und dem Eislauf-Weltverband ISU gegeben. Zu Beginn der Verhandlung hatte die Berliner Weltklasse-Eisläuferin von ihrem 15 Jahre dauernden Kampf um Gerechtigkeit erzählt. Dabei flossen auch immer wieder Tränen.
„Sie werden noch weitere 15 Jahre damit verbringen“, konterte zynisch ISU-Rechtsberater Michael Geistlinger, der zu Beginn keinerlei Bereitschaft zeigte auf die acht Millionen Euro Schadenersatzforderung Pechsteins noch auf eine Entschuldigung einzugehen.
Tatsächlich konnten sich die Streitparteien nicht auf einen Vergleich einigen, den Richter Andreas Müller angeregt hatte. Pechstein hatte in der Verhandlung erklärt, sie sei offen, sich mit der ISU finanziell auf einen Vergleich zu einigen, sofern der Weltverband erkläre, dass es sich bei der Dopingsperre Pechsteins um einen Fehler gehandelt habe.
Am 1. Juli 2009 hatte die ISU Pechstein wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Anti-Doping-Regeln für zwei Jahre gesperrt, wegen der „Anwendung der verbotenen Methode des Blutdopings“, wie es in der Begründung hieß. Man hatte bei der Leistungssportlerin überhöhte Werte von Retikulozyten festgestellt. Das sind „junge“ rote Blutkörperchen, die nur eine kurze Zeit lang nachweisbar sind, ehe sie zu „erwachsenen“ Blutkörperchen werden, die für den Sauerstofftransport im Körper zuständig sind.
Vor dem internationalen Sportgerichtshof Cas suchte sie ihr Recht, doch sie fand kein Gehör mit ihren Argumenten, eine „angeborene Blutkrankheit“ von ihrem Vater „geerbt“ zu haben.
Claudia Pechstein bewies auch vor Gerichten eine ungewöhnliche Hartnäckigkeit, kassierte in zahlreichen Prozessen Niederlage auf Niederlage. Erst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) öffnete die Türen für ein faires Verfahren. Das Münchner Oberlandesgericht (OLG) erklärte sich im Januar 2025 für zuständig für den Fall. Die abschlägigen Cas-Entscheidungen gegen Pechstein, so urteilten die Richter, seien aus kartellrechtlichen Gründen unwirksam.
Nun wurde der Fall Pechstein endgültig eine Angelegenheit der deutschen Zivilgerichte
Am 12. Juni 2022 gab das Bundesverfassungsgericht Pechstein Beschwerde gegen ein BGH-Urteil statt und verwies den Fall ans Münchner OLG. Heute geht es konkret um fast acht Millionen Euro Schadenersatz für entgangene Einnahmen durch die zweijährige Sperre.
Geld ist das eine, aber Pechstein selbst hat immer wieder gesagt, dass es ihr in erster Linie um Gerechtigkeit gehe. Die Sportlerin: „Es fehlt noch die juristische Rehabilitierung. Darauf arbeite ich seit mehr als 15 Jahren hin. Wir sind vor dem gleichen Gericht, das bereits vor zehn Jahren in Richtung Isu erklärt hat, dass bei einer Verhandlung in der Sache der Weltverband beweisen müsse, dass ich gedopt habe. Einen solchen Beweis kann es nicht geben. Denn ich habe nie gedopt.“
Am 13. Februar 2025 wird das Verfahren vor dem OLG München fortgesetzt.
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