Muss man wirklich ständig nach etwas Besserem suchen?

von MICHAEL STING

BERLIN – Wenn Sie das Wort Krankheit hören, an was denken Sie da? Ich würde spontan vermuten an die Stichworte: Corona, Impfung, Affenpocken. Das sind die Schlagworte, mit denen die Medien Sie im Moment jeden Tag konfrontieren. Doch ich möchte das Augenmerk auf die wahre Krankheit in unserer Gesellschaft hinweisen. Eine Krankheit, für die es keine Impfung gibt, die aber auch tödlich verlaufen kann. Es ist die Mischung aus Neidkultur, mangelnder Eigenverantwortung und der fehlenden Fähigkeit zur Voraussicht. Und der größten Krankheit überhaupt. Das fehlende Gefühl für Loyalität.

Dazu kommen noch die zahlreichen Influencer, die es schaffen, den Menschen einzureden, wie sie zu leben haben. Und viele Menschen hören darauf.

Ich frage mich oft: Haben die Menschen kein eigenes Leben mehr? Es gibt beispielsweise auf Youtube eine Videosammlung unter dem Stichwort „My Nighttime Routine“. Da können Sie sich ganz toll anschauen, wie Menschen nach Hause kommen, ihre Jacke ausziehen, sich ihr Abendessen kochen, sich abschminken, die Hände waschen, vielleicht noch eine Runde zocken und dann ins Bett gehen.
Ich weiß nicht, was an dieser Stelle bekloppter ist. Dass es Menschen gibt, die sich das anschauen. Oder, dass es Menschen gibt, die sich wegen Überwachung beschweren aber gleichzeitig ihr komplettes Privatleben veröffentlichen. Und nicht nur da. Es wird jedes Essen und jeder Urlaub sofort gepostet. Damit der andere ja weiß, was man gerade macht. Was übrigens auch sehr die Arbeit von Einbrechern unterstützt. Es ergibt wenig Sinn, wenn Sie eine automatische Beleuchtung haben, aber dann parallel ein Livevideo machen, wie Sie gerade am Strand liegen. Und der Staat ist natürlich wieder schuld, wenn dann ein Einbruch erfolgt.

Stichwort Einbruch. Der wirtschaftliche Einbruch in Deutschland und Europa, genannt Rezession, wird sich kaum noch verhindern lassen. Der Übeltäter ist schnell gefunden. Russland. Doch man sollte sich doch selbst einmal fragen, ob wir nicht einen großen Anteil an dem Übel haben. Sicher, es ist Wladimir Putin, der uns das Gas abdreht. Doch wer hat ihn überhaupt in diese Position gebracht? Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden einem Affen ein Maschinengewehr in die Hand drücken. Der Affe nimmt die Waffe, schießt um sich und tötet jemanden.

Wer ist schuld? Der Affe, oder der Mensch, der den Affen erst in diese Position gebracht hat? Hätten unsere Politiker mit Weitblick gearbeitet, hätten wir uns nicht von einem solchen Lieferanten abhängig gemacht. Doch erstaunlicher Weise wurden die Kritiken daran immer ignoriert. Wie auch bei der Flüchtlingskrise oder der Energiewende. Es gab mal eine legendäre Umfrage, wo die Bürger befragt wurden sind, was Sie von unserer Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damaligen Regierung zu dem Zeitpunkt hielten. Das Ergebnis war schon fast legendär. Ca. 70 Prozent fanden die Arbeit der Regierung schlecht. Aber 70 Prozent aber fanden Angela Merkel gut. Und ich bin mir fast sicher, dass das die gleichen Leute waren. Kann mir das einer erklären, wie man eine Regierung nicht mit ihrer Chefin in Verbindung bringen kann? Wäre das bei einer Firma, die Mitarbeiter entlassen muss, hohe Verluste scheibt und keine Gewinne an die Aktionäre ausschütten kann, auch so. Ich denke, man würde den CEO der Firma zur Verantwortung ziehen, weil er offenbar seinen Laden nicht im Griff hat. Aber in der Politik ist so etwas eben möglich.

Das gleiche Phänomen sieht man jetzt bei Robert Habeck als aktuell beliebtesten Politiker. Zugegeben bei einigen Punkten, wie z.B. bei dem Einsatz von Kohleenergie, hat er eine schwierige Position, weil er die wirtschaftlichen Interessen das Landes gegen seine persönliche Meinung und die seiner Partei durchsetzen musste. Doch bei vielen Punkten ist er seiner Aufgabe als Wirtschaftsminister nicht nachgekommen. Spätestens zu Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar hätte der Wirtschaftsminister die Frühwarnstufe ausrufen müssen. Das hätte erstmal keine Auswirkungen auf die Gesellschaft gehabt, hätte aber den Unternehmen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um Vorbereitungen zu treffen.

Die Gasbeschaffung aus Katar ist schiefgelaufen, obwohl er sehr viel mediale Aufmerksamkeit dafür bekommen hat. Bei den LNG-Terminals für Flüssiggas ist noch nicht absehbar, wann diese einsatzbereit sein werden. Darüber hinaus verliert er kein Wort über die Aktivisten, die offenkundig zu seiner Wählergruppe gehören und genau diese Baumaßnahmen blockieren. Als nächstes kommen die Energieeinspartipps, wie Werbeschilder ab 11 Uhr nicht mehr zu beleuchten und das Verbot, den Pool zu heizen. Das sind ja wirklich sehr kreative Ideen, auf die man als normaler Mensch nie kommen würde.

Vielleicht sollte man erstmal damit beginnen, dass wir im Bundestag mit dem Energiesparen starten. Eine gute Empfehlung wäre gewesen, vor dem Schlafengehen das WLAN auszuschalten. Ein WLAN-Router verbraucht ungefähr so viel Energie wie ein Kühlschrank. Oder noch besser. Wie wäre es mal, wenn man einfach die kostenlosen E-Ladestationen vorrübergehend abschaltet. Es kann nicht sein, dass der Steuerzahler jetzt auch noch gutverdienende Teslafahrer subventioniert. Wer sich für rund 60.000 Euro ein Auto leisten kann, der kann auch seinen Strom selber bezahlen.

Und zu guter Letzt kommt die unsoziale Energieumlage. Sicher, es geht darum, die Energieversorgung zu sichern und die Firmen vor einer Insolvenz zu bewahren. Aber es kann nicht sein, dass Gewinne wieder privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Ein anderes Beispiel ist schließlich die Diskussion über den am 8. August erschossenen Flüchtling in Dortmund

Es wird wieder über Gerechtigkeit und Polizeibrutalität gesprochen. Es wird per se der Einsatz der Polizei hinterfragt. In unserem Rechtstaat erfolgt in der Regel eh eine staatsanwaltliche Aufklärung nach einem Schusswaffengebrauch. Aber wir wollen an dieser Stelle nicht vergessen. Mohammed D. hat sich entschieden, als Flüchtling aus dem Senegal nach Deutschland zu kommen. Mohammed hat sich entschieden, nicht die deutsche Sprache zu lernen. Mohammed hat sich entschieden, zu einem Messer zu greifen. Und spätestens dann, wenn elf bewaffnete Polizisten vor einem stehen, sollte man so viel Intelligenz besitzen, aufzugeben. Wie heißt es so schön. „Man geht nicht mit einem Messer zu ner Schießerei“. Aber Mohammed hat sich entschieden, mit dem Messer auf die Beamten loszugehen und das sind einfach die Folgen aus seinen persönlich getroffenen Entscheidungen. Und das nennt man Verantwortung.

Ich hatte zu Beginn zwei Krankheiten erwähnt: Den Neid und die mangelnde Loyalität. Die zerfressen unsere Gesellschaft. Der Trigema Chef Wolfgang Grupp hat das einmal schön beschrieben. Vor einigen Jahren hieß es noch, wenn man am Haus von seinem Chef vorbeigegangen ist. „In dieser Villa wohnt mein Chef“, und hat das aus tiefster Überzeugung gesagt. Heute wird die Frage gestellt, warum er die Villa hat und nicht man selber. Die Generation Z ist da sehr interessant. Sie möchte Karriere machen und gleichzeitig eine ausgeglichene Work-Life Balance. Dass ein Chef aber 24 Stunden de facto erreichbar sein muss, vergessen die meisten. Und wenn etwas schiefläuft, trägt er die Verantwortung. Und heute wechseln die Arbeitnehmer bei kleinsten Verbesserungsaussichten den Arbeitsplatz. Sicherlich begünstig das der Fachkräftemangel. Doch früher gab es etwas, dass sich Loyalität nannte.

Eine gegenseitige Unterstützung ohne Diskussion. Und das ist nicht nur auf der Geschäftsebene so. Das sehen Sie beim Einkauf, das sehen Sie beim Dating. Es ist die ständige Suche, ob man nicht noch etwas Besseres bekommt. Klar ist es gut, wenn man sich etwas nach oben orientiert. Aber man sollte nie vergessen, woher man kommt, wer einen dahingebracht hat und auch einfach mal zufrieden sein mit dem sein, was man hat. Und wenn das Treue und Loyalität seiner Mitmenschen ist, ist das im Leben schon die halbe Miete.

Mehr von Michael Sting auf Instagram: michaelsting90

Bildquelle:

  • Lupe_Suche: dpa

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