Berlin – Auf einem U-Bahnhof in Berlin haben Unbekannte in der Nacht zum ersten Weihnachtstag versucht, einen schlafenden Obdachlosen anzuzünden. «Der Mann blieb unverletzt», sagte ein Polizeisprecher.
Das sei dem sofortigen und beherzten Eingreifen mehrerer Passanten zu verdanken. Die Habseligkeiten des 37-Jährigen hätten gebrannt. Bisher geht die Polizei von fünf bis sechs Tätern aus. Nach dpa-Informationen waren es Jugendliche.
Der U-Bahnhof Schönleinstraße an der Grenze der Stadtteile Kreuzberg und Neukölln wird mit Videokameras überwacht. Die Fahndung läuft, die Kriminalpolizei ermittelt bereits wegen versuchten Mordes.
Der Obdachlose lag im U-Bahnhof auf einer Bank und schlief, als er attackiert wurde. Die Täter zündeten seine Kleidungsstücke an, heißt es im Polizeibericht. Passanten hätten sofort die Flammen an dem Papier gelöscht, mit dem sich der offensichtlich alkoholisierte Mann wahrscheinlich zugedeckt hatte. Der Fahrer einer U-Bahn sah den Brand und kam mit einem Feuerlöscher zu Hilfe. Er war nach dpa-Informationen aber nicht der rettende Helfer.
«In diesen Tagen sollten wir Nächstenliebe erwarten. Stattdessen erleben wir Menschenverachtung», sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel am Sonntag. «Ich bin entsetzt und danke allen, die beherzt geholfen haben. Das ist wahre Mitmenschlichkeit.»
Bisher gibt es nach Polizeiangaben noch keinen Zeugenaufruf. Erst kürzlich hatte der Fall eines U-Bahn-Treters in Berlin bundesweit Empörung ausgelöst. Ein Mann hatte einer Frau unvermittelt auf einer Treppe in den Rücken getreten – sie stürzte und brach sich einen Arm. Der Tatverdächtige wurde inzwischen gefasst. Die Polizei hatte Kritik auf sich gezogen, weil sie erst nach mehreren Wochen mit Videobildern nach dem Täter suchte.
«Solche Gewaltvorfälle häufen sich nicht», betonte Petra Reetz, Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), am Sonntag. Die BVG habe 2011 einen Höhepunkt mit 880 Gewalttaten gegen Menschen registriert. Seitdem seien die Zahlen stark zurückgegangen – 2015 seien es 484 Gewalttaten gewesen. «Es spricht sich herum, dass die Bahnhöfe videoüberwacht sind», sagte Reetz. Es komme oft nur zu Taten im Affekt.
Angriffe auf Berliner Obdachlose hätten nicht zugenommen, sagte Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission, die in der Hauptstadt vielen Menschen auf der Straße hilft. «Was passiert ist, tut mir sehr leid. Aber aus meiner Sicht häuft sich das nicht.»
Mitte November hatten Polizisten nicht weit vom Kölner Hauptbahnhof in einer Unterführung einen Obdachlosen mit brennender Kleidung entdeckt. Die Obduktion ergab, dass der 29-Jährige Opfer einer Gewalttat war. Ob er durch das Feuer starb oder schon vorher umgebracht worden war, blieb unklar.
In Berlin haben Tausende Menschen keine Wohnung. Die genaue Zahl ist unbekannt – geschätzt wird sie je nach Quelle und Definition auf 3000 bis 10 000. Experten gehen von zunehmender Obdach- und Wohnungslosigkeit in der Hauptstadt aus. Die Berliner Kältehilfe bietet in diesem Winter rund 700 Schlafplätze.
Die Berliner Verkehrsbetriebe öffnen im Winter nachts traditionell einige U-Bahnhöfe für Schutz- und Wärmesuchende. In der Weihnachtsnacht war am U-Bahnhof Schönleinstraße aber regulär Betrieb. Die Züge fahren während der Feiertage rund um die Uhr. (dpa)
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- U-Bahnhof Schönleinstraße: dpa