von CHRISTOPH DRIESSEN
KÖLN – Ernst Huberty – in diesem Namen schwingt eine Welt mit. Die goldenen Zeiten der «Sportschau», als man samstags zwischen 18.00 und 19.00 Uhr um Himmelswillen nicht anrufen durfte. Als man noch fluchte, weil immer nur drei Bundesliga-Spiele gezeigt wurden und darunter natürlich wieder mal nicht die Partie war, die man sich selber gewünscht hatte.
Aber mit dem Namen Huberty verbindet sich noch mehr. Er steht für die etwas biedere, aber gleichzeitig liebenswert unaufgeregte Korrektheit der alten Bundesrepublik. Am 24. April ist Ernst Huberty im Alter von 96 Jahren gestorben. «Als Sportreporter-Legende wird er uns allen ewig in Erinnerung bleiben», würdigte WDR-Intendant Tom Buhrow.
Der Mann des «Ausgerechnet»-Moments
Wenn «Tagesschau»-Sprecher Karl-Heinz Köpcke (1922-1991) derjenige war, der die deutschen Nachrichten vom bellenden Kommiss-Ton der Nazizeit befreite, dann hat Ernst Huberty eben dies für die Sportberichterstattung geleistet. Ruhig und zurückgenommen war sein Kommentarstil, selbst in hochemotionalen Momenten.
Seine berühmtesten Reporterworte sind bezeichnenderweise «Ausgerechnet Schnellinger». Das war 1970, als Karl-Heinz Schnellinger im WM-Halbfinale gegen Italien in der 90. Minute den Ausgleichstreffer erzielte – ausgerechnet er, der seit Jahren in Italien spielte. Huberty schrie das nicht heraus. Er sagte es einfach.
Der gebürtige Trierer, Sohn eines Luxemburgers, wurde Ende der 1950er Jahre von Werner Höfer («Der Internationale Frühschoppen») zum WDR geholt und war bei der 1961 gestarteten «Sportschau» von Anfang an dabei. Er war der Mann, der am 4. Juni 1961 die allererste «Sportschau» moderierte.
Alle kannten Ernst Huberty
Zwei Jahre später wurde die Bundesliga gegründet. Frage von Ernst Huberty an den damaligen Präsidenten des 1. FC Köln: «Was kann nun in der Bundesliga ein Lizenzspieler verdienen?» Antwort: «Der Lizenzspieler darf zwischen 250 und 500 Mark Grundgehalt verdienen plus Prämien – insgesamt 1200 Mark.»
Das Filmmaterial musste anfangs von Motorradkurieren aus den Stadien zum Sender nach Köln gefahren werden. Die Vereine zahlten zum Dank Geld dafür – nicht etwa umgekehrt. In den 1970er Jahren war die «Sportschau» Kult. Jeder, wirklich jeder, kannte Ernst Huberty mit seinem astrein gekämmten silbernen Klappscheitel. Bis zu 15 Millionen Zuschauer schalteten jedes Mal ein. Das samstägliche Ritual für Millionen deutscher Nachwuchshoffnungen sah damals so aus: Erstens Fußballplatz. Zweitens «Sportschau». Drittens Badewanne.
Die Arbeit gelebt
Dann kam 1982 der tiefe Fall: Wegen einer Spesenaffäre wurde Huberty als WDR-Sportchef abgesetzt und ins Dritte Programm verbannt. Andere hätte das verbittert, ihn nicht. Zehn Jahre später sagte er rückblickend: «Unterm Strich ist übrig geblieben, dass ich in meinem Leben viel gelernt habe und dass ich mich völlig umstellen musste, eine ganz andere Arbeit leisten (musste) in diesem Hause, und die hat mir sehr gutgetan, die war für mein ganzes Leben ungeheuer wichtig.»
Bis zum 87. Lebensjahr bildete er noch Moderatoren aus. Eine geradezu unglaubliche Begebenheit schilderte Oliver Welke in einer WDR-Hommage zu Hubertys Neunzigstem: «Ich hatte mal einen Coaching-Termin mit ihm, und er kam ’n kleinen Tick zu spät, was sehr ungewöhnlich ist, weil Ernst Huberty kommt immer superpünktlich. Mir fiel auf, dass es auf einmal ein bisschen nach Rauch roch in dem Zimmer. Und dann sagte er in seiner formvollendeten Art, er müsse sich entschuldigen, er würde ein bisschen nach Rauch riechen, sein Haus sei gestern abgebrannt.» Zusammen mit seiner Frau Inge hatte er sich gerade noch retten können. Aber das war natürlich kein Grund für ihn, den Termin abzusagen.
Ob er Angst vor dem Tod habe, wurde Huberty 2017 in dem WDR-Film vom heutigen «Sportschau»-Chef Steffen Simon gefragt. «Eigentlich nicht», war die lakonische Antwort. Vielleicht werde er dank der modernen Medizin noch etwas länger leben. «Werden wir sehen.» Um sich dann zu korrigieren: «Ich nicht. Du wirst es sehen.»
Bildquelle:
- Ernst Huberty: dpa