Merkel trifft Chinas Premier Li – strebt Deutschland nach Distanz zu Amerika?

Es gibt viel zu besprechen: Chinas Ministerpräsident Li Keqiang bei einem Treffen mit Angela Merkel im Bundeskanzleramt. Foto: Ferdinand Ostrop/POOL AP

Berlin – Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sucht angesichts der Verstimmungen mit US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen mit Chinas Ministerpräsident Li Keqiang nach neuen Verbündeten.

In den Gesprächen im Kanzleramt in Berlin dürfte es angesichts der Drohungen Trumps mit einem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und dessen protektionistischer Handelspolitik auch um Allianzen für den G20-Gipfel in Hamburg Anfang Juli gehen.

Menschenrechtler verlangen von Merkel konkreten Einsatz zur Verbesserung der Lage in dem fernöstlichen Riesenreich. Wirtschaftsvertreter fordern von China, endlich mit der angekündigten Marktöffnung Ernst zu machen.

An den Beratungen nehmen auch Minister beider Seiten teil. Im Anschluss sollen Abkommen unterzeichnet werden. Geplant sind auch Reden der Kanzlerin und des Ministerpräsidenten bei einem Innovationsforum. Am Nachmittag fliegt Li zu einem EU-China-Gipfel nach Brüssel.

Wichtige Fragen und Antworten zum Besuch Lis in Berlin und Brüssel:

Merkel hatte sich vor den Gesprächen mit dem Chinesen auch mit der indischen Regierung getroffen. Wendet sich die Kanzlerin wegen Trumps Politik von den USA ab?

Nein. Merkel gilt als Transatlantikerin. Nach ihren harten Worten in Richtung Trump zu den weitgehend gescheiterten Gipfeln von G7 und Nato («Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt.») hat sie sich etwa vor der Unionsfraktion zur Partnerschaft mit den USA bekannt.

Was wollte die Kanzlerin mit ihrer «Bierzelt-Rede» zur größeren Verantwortung Europas erreichen?

Merkels Auftritt sollte ein klares Signal sein. In der Unionsführung ist man besorgt über Trumps politischen Schlingerkurs. Die Kanzlerin habe deutlich machen wollen, dass sich Deutschland und Europa nicht auf der Nase herumtanzen lassen wollen, heißt es in diesen Kreisen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der Rheinischen Post» (Donnerstag): «Unabhängig von der Entscheidung der US-Regierung muss der Rest der Welt in der Klimapolitik Kurs halten. Das gilt erst recht, wenn die Amerikaner das Abkommen wirklich aufkündigten.»

Sucht Merkel neue Verbündete?

Ja – und Nein. Dass China und Indien globale Player sind und noch mehr Gewicht bekommen werden, ist nicht erst seit Trumps Amtsantritt bekannt. Doch gerade in der Handels- und Klimapolitik dürfte Merkel angesichts des Kurses des US-Präsidenten neue Allianzen schmieden wollen. Gerade vor dem G20-Gipfel in Hamburg, den sie wenige Monate vor der Bundestagswahl nicht mit leeren Händen beenden will.

Wie sieht die Taktik der mächtigen Männer aus Peking aus?

China stößt in die Lücken vor, die der Rückzug Trumps aus dem Welthandelssystem hinterlässt. Peking umwirbt besonders die Deutschen als europäische Führungsmacht mit einer «Charmeoffensive», wie Diplomaten sagen. Mit dem US-Rückzug aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP) präsentierte sich Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos Ende Januar schon als neuer Vorreiter des Freihandels. Aber Praktiker sind skeptisch: Beim Abbau von Handelshemmnissen und besseren Investitionsmöglichkeiten habe sich bisher kaum etwas getan.

Gibt es positive Signale Chinas etwa bei den Menschenrechten?

Im April gab es durchaus Entgegenkommen gegenüber Berlin, als China in einer Ausnahmeregelung den deutschen parteinahen Stiftungen erlaubte, doch weiter in China tätig sein zu dürfen. Ihre Existenz in China war durch ein neues Gesetz bedroht, das unliebsame politische Tätigkeiten ausländischer regierungsunabhängiger Organisationen in China verhindern soll. Aber: Die Stiftungen werden ihre Arbeit einschränken und von politisch heiklen Bereich wegsteuern müssen.

In Menschenrechtsfragen gibt es keine Lockerung. Bestes Beispiel ist der bekannte Bürgerrechtsanwalt Jiang Tianyong, der Anfang November mit – damals noch Wirtschaftsminister – Sigmar Gabriel in Peking zusammengetroffen war, aber drei Wochen später in Staatsgewalt verschwunden ist. Jiang Tianyongs Schicksal ist aber weiter unklar.

Worum geht es beim EU-China-Treffen in Brüssel?

Wichtigstes Signal des Gipfels am Freitag dürfte eine gemeinsame Erklärung zum Klimaschutz werden. Während Trump am Pariser Abkommen rüttelt und seine Entscheidung über einen möglichen Ausstieg am Donnerstag (21 Uhr MESZ) verkünden will, wollen sich die EU und China eindeutig zur Umsetzung bekennen. Sie beanspruchen eine Führungsrolle im globalen Klimaschutz. Auch beim Handel sollen die guten Beziehungen betont werden. Zur Nordkorea-Krise dürfte man sich eng austauschen.

Bildquelle:

  • Li Keqiang in Berlin: dpa

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